Jürgen Kanold

Jürgen Kanold
Jürgen Kanold
© Foto: Volkmar Könneke

Die Kunstaktion des Jahres war leider nur ein putziger PR-Gag. „Mensch Albert!“: Ottmar Hörl stellte 500 Einsteins auf dem Münsterplatz auf, später aber dienten die täglich in kleiner Stück­zahl ausgeteilten Figuren nur noch als Selfie-Motive.

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Oper des Jahres war die von Matthias Kaiser im Bühnenbild von Detlev Beaujean inszenierte „Elektra“ von Strauss: ein expressionistisches Seelengefängnis in der Hallenbad-Ruine. Die Philharmoniker demonstrierten unter Timo Handschuh, dass sie weit besser spielen als C-Klasse.
Die musikalische Überraschung des Jahres bot auch Timo Handschuh – aber an der Orgel des Münsters. Er entfaltete wunderbar das „Parsifal“-Vorspiel und eine eigene Bearbeitung der „Bilder einer Ausstellung“.
Auswärtserfolg des Jahres: Der Jugendchor der Ulmer Spatzen unter Hans de Gilde triumphierte beim Deutschen Chorwettbewerb in Freiburg mit einem 1. Preis.
Ulmer Weltstar des Jahres war wieder der Löwenmensch – für Bestsellerautor Neil MacGregor etwa fängt mit dieser Figur das „Leben mit den Göttern“ an. Nur die Ulmer kommen nicht voran, die Welterbe-Kunst international groß zu präsentieren.

Magdi Aboul-Kheir

Magdi Aboul-Kheir
Magdi Aboul-Kheir
© Foto: Volkmar Könneke

Schauspiel des Jahres war Hans Henny Jahnns „Die Krönung Richards III.“ im Frühjahr am Theater Ulm: ein kolossales Sprachdrama mit einem fulminanten Fabian Gröver in der Titelrolle. Regisseur Jasper Brandis ist mittlerweile Schauspieldirektor und legte zum Auftakt der neuen Intendanz mit sehenswerten „Räubern“ nach.
Die Emotionen des Jahres verströmte Asaf Avidan im Ulmer Zelt. Das Konzert des israelischen Popstars war musikalisch so begeisternd wie es berührend war.
Das Klassik-Konzert des Jahres bot das Vogler Quartett im Stadthaus. Vor allem die Interpretation von Schuberts Streichquintett C-Dur mit Cellist Mischa Meyer war eine Sternstunde.
Die Entscheidung des Jahres ist das Votum der Ulmer Stadträte, den bis 2023 entstehenden Technik-Neubau des Theater Ulm um eine Kinder- und Jugendbühne zu erweitern, die dann von der freien Szene bespielt wird.  Auf die Planer kommt da was zu – hoffentlich kein Theater.
Das Eigentor des Jahres war die groteske Musik-Revue „Aufstieg und Fall des Uli H. – Eine deutsche Wurstiade“ im Podium: von der Konzeption bis zur Ausführung voller Stockfehler.

Lena Grundhuber

Lena Grundhuber
Lena Grundhuber
© Foto: Volkmar Könneke

Die beste Nachricht am Theater ist nebst manch anderem die Erhöhung der Mindestgage, auch wenn man mit 2200 Euro brutto noch immer unter dem Mindestverdienst in Konstanz liegen wird. Trotzdem muss man sagen: Lieber ein Spatz in der Hand als auf dem Theaterlogo.
Die charmanteste neue Location eröffnete diesen Sommer an den Bahngleisen: „Gleis 44“ nennt sich das Zwischennutzungsprojekt für junge Kultur im alten Bahngebäude an der Schillerstraße 44. Wer elektronische Musik mag, sollte dort mal vorbeischauen. Und wach bleiben.
"Gleis 44" feiert Eröffnung

Bildergalerie „Gleis 44“ feiert Eröffnung

Die herbste Enttäuschung hatte das Museum Ulm zu verkraften:  Der Umbau ist, so wie es aussieht, auf den Sankt Nimmerleinstag beziehungsweise auf die Jahre 2024/26 verschoben. Während in Neu-Ulm heuer das frisch umgebaute und sanierte Edwin-Scharff-Museum eröffnet hat, scheint den Ulmern ihr Museum nicht den Aufwand wert.
Edwin-Scharff-Museum nach Sanierung wieder eröffnet

Bildergalerie Edwin-Scharff-Museum nach Sanierung wieder eröffnet

Die skurrilsten, lustigsten, bittersten Fotos waren im Stadthaus zu sehen. Die Ausstellung mit Bildern des britischen Fotografen Martin Parr hatte sich das Haus selber zum 25-jährigen Bestehen geschenkt. Gratulation an Karla Nieraad und ihr Team nochmal – nicht nur für diese Ausstellung.

Helmut Pusch

Helmut Pusch
Helmut Pusch
© Foto: Volkmar Könneke

Die erfreulichste Rückmeldung des Jahres war der Doppelschlag Hellmut Hattlers. Der Komponist und Bassist legte nach seiner Krebserkrankung und langem Klinikaufenthalt gleich zwei Alben vor: „The Trio Years“, ein Live-Album der Krautrocklegende Kraan, und „Velocity“, ein neues Album seiner Band „Hattler“, das er zum guten Teil in der Klinik komponierte.
Chapeau auch für Andreas Blersch, der nach dem Tod seiner Frau Brigitte, die auch seine Partnerin beim Figurentheater Topolino war, mit neuen Spiel-Partnerinnen einen Neustart wagt.
Langen Atem beweist Joo Kraus mit seiner Reihe „Herzstücke“, die er seit Jahren mit viel Liebe und vor allem wunderbaren Gästen meist im kleinen Café Animo organisiert. Gerade weil diese Konzerte sich im intimen Rahmen abspielen, die Karten oft binnen weniger Minuten vergriffen sind, sorgen sie für metropole Luft in Ulm.
Ärgerlich, weil nun wirklich nichts Neues, war das Programm des Münsterplatz-Open-Airs. Dieter Thomas Kuhn sang dort schon zum dritten Mal. Nichts gegen den Barden aus Tübingen, aber eigentlich sollten internationale Stars am Schwörwochenende Ulms gute Stube bespielen.

Claudia Reicherter

Claudia Reicherter
Claudia Reicherter
© Foto: Volkmar Könneke

Den unfreiwilligsten PR-Coup hat Bernhard Seidt von Pornophon gelandet, der mit dem Foto einer Folterszene aus dem Münster Aufsehen erregte. Da Dekan Gohl protestierte, musste seine Hardcore-Band Plakate abhängen und Album-Cover überkleben – mit einer selbstgemalten Version derselben Szene. Dafür gab’s reichlich Medienresonanz.
Die luftig-coolste Kultur-Location schufen die Beteiligten des „Pop Up Space Wilhelmsburg“. Auf den Paletten-Sofas unterm Baum im Burghof war gut sein – und das Programm so vielfältig wie hochkarätig, originell und kostenlos.
Den fettesten Kloß im Hals erzeugten Andy Spyra und Wolfgang Bauer im Stadthaus. Fotograf und Autor gaben in „Die geraubten Mädchen“ Opfern des Boko-Haram-Terrors Gesicht und Stimme.
Die prompteste Absage erhielt Veranstalter Tom Schmitt von Sascha Reimann alias Ferris MC. Kaum hatte der zu seinem Besuch im Eden ein Interview gegeben, winkte er ab: Er war just – äh, überraschend? – Vater geworden.
Das überwältigendste Erlebnis überhaupt bescherte den Ulmern die Londoner Compagnie von Hofesh Shechter beim rundum begeisternden Tanz-Festival „Ulm moves! – ein „Grand Finale“.

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