Die Uhr, die mitten auf der Beringerbrücke steht, geht schon lange nicht mehr. Sie ist stehen geblieben auf 12 Uhr – eine durchaus symbolische Zeitanzeige. Denn für die Brücke, die die Blaubeurer Straße mit dem Eselsberg verbindet, ist es nicht mehr nur sprichwörtlich fünf vor zwölf. Eine gründliche Prüfung, die an dem mehr als 100 Jahre alten und schon lange maroden Bauwerk einmal jährlich ansteht, hat ergeben: Die Schäden sind deutlich größer geworden. So groß, dass die Stadt Ulm die Brücke umgehend für den Verkehr komplett gesperrt hat, auf zunächst unbestimmte Zeit.
Das Hauptproblem ist der Rost. Ralf Krauß vom Münchner Ingenieurbüro Büchting und Streit, das die Beringerbrücke seit 2010 jährlich untersucht, hat bei seiner zweitägigen Inspektion so viele Mängel festgestellt, dass seinen Prüfbogen lauter rote Punkte zieren, einer für jede marode Stelle. Träger und Bleche sind an- oder sogar durchgerostet, Nieten fehlen, Teile sind abgefallen.
Erstmals hat Krauß auch Roststellen an den Fachwerkträgern entdeckt, die das Gewicht der Brücke halten. Sorge bereiten ihm aber vor allem die Querträger, die unter der Fahrbahn verlaufen. Sie sind in so schlechtem Zustand, dass sie nicht mehr belastet werden dürfen. Für Gerhard Fraidel, bei der Stadt Ulm für die Verkehrs­infrastruktur verantwortlich, heißt das: Die Brücke wird ab sofort für den Autoverkehr gesperrt. Lastwagen dürfen ohnehin schon seit Monaten nicht mehr über die Brücke. Für Fußgänger und Radler bleibt sie frei.
Risse in der Fahrbahn zeigen an, wo die schadhaften Querträger verlaufen. Krauß formuliert es so: „Jeder Asphaltschaden erregt den Verdacht, dass sich darunter etwas Schlechtes abspielt.“ Zwar werde die Brücke im jetzigen Zustand nicht einstürzen, „aber lokale Stellen können versagen“. Das bedeutet: Ein Autoreifen könnte einbrechen. Durch die Verkehrsbelastung könnten aber auch Teile der Träger oder Bleche abplatzen und auf die Bahnschienen stürzen – mit unabsehbaren Folgen.
Wegen des schlechten Zustands wird die Brücke laufend überprüft. Mitarbeiter des Bauhofs fahren täglich Patrouille und beseitigen kleinere Schäden. Fraidel und sein Team begehen die Brücke jeden Monat. Zusätzlich wird sie einmal jährlich intensiv unter die Lupe genommen.
Die Stadt repariert das Bauwerk ständig und steckt jährlich rund 100.000 Euro in den Unterhalt. Eine grundlegende Sanierung wäre aber nötig, um die Beringerbrücke zu erhalten. Die Stadtverwaltung möchte sie am liebsten abreißen, doch die Denkmalschützer sind dagegen. Das Landesamt für Denkmalpflege hält die Brücke aus dem Jahr 1907 für schützenswert.
Zunächst geht es laut Fraidel so weiter: Seine Abteilung wird den endgültigen Prüfbericht abwarten und dann überlegen, ob und mit welchem Aufwand die Beringerbrücke so repariert werden kann, dass Autos wieder fahren können.

Was eine Sanierung kosten würde

Schätzung Die Stadtverwaltung hat im Oktober vergangenen Jahres die Sanierungsvarianten für die Beringerbrücke im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Demnach würde eine Komplettsanierung, die die Brücke für Fußgänger, Radler und Autofahrer erhält, nach einer ersten groben Schätzung rund 25 Millionen Euro kosten. Die Brücke hätte dann eine Lebensdauer von 30 Jahren. Ein vergleichbarer Brückenneubau würde rund 34 Millionen Euro kosten, aber 80 Jahre halten.