Der große Andrang blieb aus, als am Dienstagabend Vertreter des Stromnetzbetreibers Amprion den Staiger Gemeinderat über die neue Höchstspannungsleitung informierten. Auf der Trasse zwischen Wullenstetten und Dellmensingen soll ein Stromkreis mit einer Spannung von 380.000 Volt (380 Kilovolt) angebracht werden. An den Masten ist noch jeweils eine Traverse frei. Etwa ein Dutzend Bürger waren ins Rathaus gekommen, um die Projektvorstellung zu hören.
Für Carsten Stiens, bei Amprion zuständig für Genehmigungen und Umweltschutz, steht bereits vor Beginn des zweistufigen Genehmigungsverfahrens fest: Das Vorhaben werde die Richtwerte „deutlich“ unterschreiten. Gleichwohl zeigte er Verständnis, dass die neue Leitung in Staig nicht willkommen ist. Amprion rüste jedoch nicht willkürlich auf, sondern weil eine andere Trasse als der Umweg Staig–Dellmensingen nach Niederwangen bei Ravensburg nicht zur Verfügung stehe. Somit biete sich die Nutzung der freien Traversen an.
Erdverkabelung abgelehnt
Stiens betonte, dass eine Optimierung des Netzes geprüft worden sei, um möglicherweise auf die Leitung zu verzichten. Auch sei mit dem Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW gesprochen worden, um dessen parallel verlaufende Trasse mit zu nutzen. Es habe sich jedoch gezeigt, dass sowohl das Amprion-Netz als auch jenes von Transnet BW ausgereizt seien. Die zusätzliche 380-Kilovolt-Leitung sei daher die richtige Lösung. Zudem für Staig die verträglichste, versicherte Stiens Kollege Markus Roth.
Der wiederholt von Gemeinderäten und Bürgern geforderten Erdverkabelung in der Nähe der Wohnhäuser erteilten die Amprion-Vertreter eine Absage. Zum einen sei ein solcher Aufwand gesetzlich nur in einigen ausgesuchten Gebieten vorgesehen – dort auch nur versuchsweise, denn die Technik für Wechselstromleitungen im Erdreich sei noch nicht ausgereift. Zudem wären „Fußballfelder große“ Anlagen notwendig, jeweils dort, wo die Leitung im Boden verschwindet.
Ein anderer Vorschlag war, die Transnet-Leitung zu überqueren, um weiter von den Häusern abzurücken. Das sei sachlich nicht erforderlich und werde von Transnet abgelehnt, sagte Stiens.
Damit will sich Bürgermeister Martin Jung aber nicht zufrieden geben. Er werde versuchen, auf der politischen Schiene Druck zu machen. Staig sei „ein Nadelöhr und nicht der Normalfall“. Daher müsse es Ausnahmeregelungen geben, forderte der Bürgermeister. Ferner werde der Gemeinderat darüber beraten, ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben. Überhaupt werde die Gemeinde größtmögliche Anstrengungen unternehmen, „um für unsere Bürger das Beste zu erreichen“.
Stiens zeigte dafür Verständnis. Es sei Sinn der Verfahren, viele Argumente zu sammeln und sie auf den Prüfstand zu stellen. Zum Beispiel habe Amprion von sich aus angeregt, eine vorzeitige Beteiligung der Bürger und Behörden durchzuführen. Zur Bundesfachplanung, der ersten Genehmigungsstufe, sowie zum anschließenden Planfeststellungsverfahren gehörten weitere Beteiligungen. Zudem biete Amprion Bürgersprechstunden an, eine Hotline und Informationen auf der Webseite des Unternehmens.
Gemeinderat Eberhard Müller vermisst allerdings ein echtes Entgegenkommen. „Sehen Sie überhaupt, wie nahe die Leitungen bei unseren Häusern sind?“, fragte er vorwurfsvoll. Dessen sei sich Amprion durchaus bewusst, entgegnete Stiens. Er hoffe aber, „dass die Leute auch die Leitungen gesehen haben, als sie in deren Nähe gebaut haben“. Denn die Stromleitungen seien vor den Häusern dagewesen.

Inbetriebnahme für 2020 geplant

Terminplan Bei der Bundesnetzagentur will Amprion im ersten Halbjahr 2018 die so genannte Bundesfachplanung beantragen. Ende 2018 oder Anfang 2019 soll das Planfeststellungsverfahren, die zweite Genehmigungsstufe, eröffnet werden. Im Jahr 2020 soll die neue 380-Kilovolt-Leitung zwischen Wullenstetten und Dellmensingen in Betrieb gehen.