Digitale Technologien verändern die Wirtschaft – wir kommen nicht drumherum.“ Das sagte Dr. Christoph Geier, Director Digital Transformation am Campus Heilbronn der Technischen Universität München (TUM), Mitte Juni bei der Präsentation der Ergebnisse des „Fortschrittsbarometers Digitale Transformation Mittelstand 2023“.
370 Unternehmen verschiedener Branchen in Heilbronn-Franken hat das dreiköpfige Forschungsteam der TUM – neben Christoph Geier Jens Förderer, Professor für Innovation und Digitalisierung (siehe Interview unten), sowie Michaela Lindenmayr, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Innovation und Digitalisierung an der TUM School of Management – im Rahmen dieser Studie befragt. Dabei gingen sie folgenden Fragen nach: Welche Rolle spielt die Transformation in der Unternehmensentwicklung? Welche Ziele verfolgen die Unternehmen mit Digitalisierungsschritten und welche Technologien setzen sie ein? Welche Erfolgsfaktoren und welche Hindernisse gibt es?
Ein zentrales Ergebnis stellte Förderer bei der Präsentation am TUM Campus Heilbronn vor: 62 Prozent der Unternehmen haben keine Digitalstrategie definiert. „Pragmatismus herrscht vor und ist durchaus sinnvoll“, analysierte Geier. Er warnte jedoch, den Blick für das große Ganze und die Perspektive der Kunden aus dem Auge zu verlieren. Als Bedingungen für eine erfolgreiche Digitalisierung nannten fast 90 Prozent der Befragten die Rückendeckung der Unternehmensleitung, berichtete Jens Förderer. Immerhin knapp zwei Drittel messen der Einbindung der Beschäftigten eine große Bedeutung bei.

Gründe für Defizite bei der Digitalisierung

Bei den Hemmnissen, die Digitalisierungsmaßnahmen im Wege stehen, unterschied Förderer zwischen internen Faktoren innerhalb der Unternehmen und externen, etwa dem rechtlichen und politischen Rahmen. Hier zeigte sich, dass bei den internen Faktoren sowohl die Vorreiterunternehmen mit einer Digitalstrategie als auch die Nachzügler ohne eine solche am häufigsten fehlende Mitarbeiterkompetenzen und finanzielle Hemmnisse anführen. Bei den externen Faktoren beklagen Vorreiter und Nachzügler vor allem den Fachkräftemangel, die komplizierte Bürokratie, die mangelnde digitale Infrastruktur und die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Aus all diesen Ergebnissen leiteten Geier, Förderer und Lindenmayr Handlungsempfehlungen ab: Die Betriebe sollten messbare Zielgrößen festlegen, aus ihren Misserfolgen lernen und die digitale Transformation als Aufgabe des gesamten Unternehmens sichtbar machen. Den Vorreitern wird geraten, mehr Experimente zu wagen und ein Partnernetzwerk aufzubauen, während es für die Nachzügler zunächst einmal darum gehe, ihre gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten und dann einfach mit vielen kleinen Schritten loszulegen. Doch auch für andere Akteure gab es Handlungsempfehlungen: So sollten etwa die Bildungs- und Forschungseinrichtungen maßgeschneiderte Weiterbildungsprogramme anbieten, Basis-Methodenwissen vermitteln und Austauschplattformen schaffen. Verbände und öffentliche Hand wiederum sollten ihre eigene Digitalisierung vorantreiben und Standards, etwa für den Datenaustausch, etablieren.

Podiumsdiskussion untermauert Ergebnisse der Studie

Erhellende Einblicke bot auch die anschließende Podiumsdiskussion, an der neben einigen der befragten Unternehmern auch Jens Ewald, Projektmanager Digitalisierung und IT-Planer bei der Stadt Heilbronn, Prof. Helmut Krcmar, Gründungsdekan der TUM Heilbronn, sowie Christoph Geier teilnahmen. „Digitalisierung half, hier Arbeitsplätze zu halten und zu wachsen. Wenn wir begeistert sind, sind auch unsere Kunden begeistert“, sagte Timo Gessmann, CTO von Schunk, auf die Frage von Moderator Stefan Merx, was an der digitalen Transformation wichtig und reizvoll sei. Spaß und Freude am Verändern nannte Elvis Seretinek, Geschäftsführer von Eskon Arbeitsschutz in Neckarsulm, als seine Antriebsfedern – neben der Freude, altes Leid wie hohe Kosten und die schwierige Mitarbeitersuche loszuwerden. „Vision habe ich keine. Es ist aus Pragmatismus entstanden und jetzt zum Spaß geworden“, bekannte er.
„Mein Antrieb ist Begeisterung für Technologie und Veränderung“, sagte auch Ewald. Er räumte mit dem Vorurteil auf, dass Kommunen besonders innovationsfeindlich seien und berichtete, dass es oft überraschend sei, von welchen Mitarbeitenden Impulse ausgingen. Geier rief einmal mehr dazu auf, alle Mitarbeitenden ins Boot zu holen: „Wenn man die Mannschaft nicht komplett mitnimmt, wird es nicht funktionieren.“ Und auch vor den Bildungseinrichtungen macht die digitale Transformation nicht halt: Was wäre, wenn die Studierenden dank ChatGPT & Co. ihre Seminararbeiten plötzlich an einem Tag schreiben könnten, fragte Moderator Merx Helmut Krcmar. Die Antwort: „Dann muss ich die Prüfungsfragen eben anders stellen und nicht mehr auswendig Gelerntes abfragen.“