Noch 23 Tage, drei Stunden und 17 Minuten. In roten Lettern blinkt mich die Zeitangabe an, als ich Ende Mai die Rats-Runners-Homepage aufrufe. So lange ist es noch, bis in Kupferzell der Startschuss für den 2. Volksbank Hohenlohe Rats-Run fällt. „Knappe Kiste zum Trainieren“, denke ich mir. „Das wird nix.“ Und dennoch lässt mich der Gedanke nicht los. Ich will meine Grenzen testen. Hindernisse überwinden, laufen und wenn nötig durch Matsch und Dreck kriechen – die Möglichkeit dazu bietet sich einem ja nicht alle Tage! Also doch probieren?
Keine drei Wochen mehr
Beiläufig erwähne ich es einige Tage später in der Redaktion. Es benötigt nur wenige Sätze und schon glitzern auch die Augen meiner Kollegin Adina Bauer. Bevor ich noch weiter ausholen kann, sagt sie: „Ach komm, ich mach mit!“ Noch 16 Tage, 21 Stunden und 43 Minuten bis zum Startschuss zeigt der Timer, als wir unsere Anmeldung abschicken. Zum richtigen Trainieren bleibt uns keine Zeit mehr. Um genügend Luft und Kraft für einen Zehn-Kilometer-Lauf zu bekommen, dauert es bekanntlich deutlich länger.
„Wir schaffen das schon“ oder „dabei sein ist alles“ sagen wir uns gegenseitig. Als das Event immer näher rückt, wechselt die Kommunikation zu „Wenn nix mehr geht, können wir ja abbrechen“. Und mit den Wettervorhersagen, die für den Lauf-Tag Temperaturen von über 30 Grad ankündigen, erschleicht uns allmählich die Erkenntnis: „Wir müssen verrückt sein!“ Ähnlich fällt auch das Urteil unserer Bekannten und Kollegen aus. Immer wieder kommt jedoch auch der Nebensatz: „Ich würde das auch gerne mal machen, aber Laufen ist nicht so meines.“ Ansporn genug für uns, um den Test trotz aller „red flags“ zu wagen.
Am Sonntag, 19. Juni, ist es dann so weit: Ich schnüre meine Laufschuhe für den ersten Lauf-Wettbewerb meines Lebens. Die 30 Grad-Marke ist schon am Vormittag längst überschritten, als wir uns am Startpunkt unterhalb der Carl-Julius-Weber-Halle in Kupferzell treffen. Nach kurzer Einweisung und dem dringenden Hinweis der Veranstalter, genügend zu trinken und auf den eigenen Körper zu hören, stellt sich die erste Startgruppe auf. Im Fünfminutentakt machen sich die Läufer nun auf den Weg. Mein Adrenalin-Pegel steigt rasch an, als auch Adina und ich uns vor der Startmarkierung positionieren. Witzelnde Mitläufer um uns herum lockern die Stimmung auf. Dann geht es ganz schnell: Der Startschuss ertönt und wir setzen uns in Bewegung. Das erste Hindernis lässt nicht lange auf sich warten.
Bye-bye Puste!
Die Route schickt uns bergauf über Stock und Stein. Wir sind keinen Kilometer gelaufen, bis sich das erste Matschloch vor uns auftut. Quietschend rutschen wir in das braune Wasser, stampfen durch und krabbeln auf Händen und Füßen auf der anderen Seite wieder heraus, während wir von Helfern mit Wasser bespritzt werden. Eines geschafft, denke ich mir, mal gucken wie viele noch kommen. So viel vorneweg: Die Organisatoren rund um das Rats-Runners-Team und den TSV Kupferzell sowie die Sponsoren und helfenden Betriebe haben sich noch einiges für uns Läufer überlegt.
Motiviert joggen wir weiter, müssen jedoch nach einiger Zeit feststellen, dass nicht nur unsere Kondition nicht die beste ist, sondern auch die heiße Luft uns ordentlich zu schaffen macht. Wir wechseln in schnelles Walken, klettern über aufgeschüttete Dreckberge und Steinhaufen, kriechen unter Paletten hindurch und hüpfen euphorisch zur Abkühlung in die braune Brühe der aufgestellten Wasser-Container. „Das macht schon richtig Spaß“, sage ich zu Adina und klettere mal mehr und mal weniger elegant aus unserem „Pool“. „Ja, und das, obwohl es so anstrengend ist“, erwidert sie lachend.
Stecken bleiben – das kann uns nicht passieren, merke ich schon bald. Als die Ein- und Ausgänge der Wasserhindernisse schlammiger werden, helfen wir uns gegenseitig. Und auch die anderen Teilnehmer strecken immer wieder die Hand entgegen, um uns sicher wieder auf die Spur zu bringen. Der Team-Gedanke beim Event schlägt durch. Genauso wie der große Durst bei uns, als wir endlich die fünf Kilometer Marke knacken. Just in diesem Moment taucht die erste Getränke-Station auf. Freudig strahlend drücken uns die Mitglieder des TSV Kupferzell Becher mit Wasser in die verdreckten Hände. Der Schlamm bildet inzwischen schon Krusten auf unseren Knien und Schuhen. Der Dreck hängt unter unseren Fingernägeln und vermischt sich im Gesicht mit dem Schweiß. Lachend schauen wir uns an und Adina schwört mich ein: „Wir haben mehr als die Hälfte geschafft. Jetzt gibt‘s kein Zurück mehr!“
Lachen, fluchen und zurück
Ob sie diese Aussage noch bereuen wird? „Jawoll, dann los geht's“, antworte ich. Wir setzen uns wieder in Bewegung. Und allmählich fühle ich mich „warmgelaufen“. Sobald ein schattiger Abschnitt kommt, motiviere ich zum Joggen. Hindernisse auslassen? Keine Chance, das zählt für mich sonst nicht. Der Spaß, den ich an diesem Lauf entwickele, steigt mit jedem Meter, der uns näher zum Ziel bringt. Meine Mitläuferin kann das nicht ganz so nachvollziehen. „Du hast ekelhaft gute Laune“, wirft mir Adina zu und wir beide lachen laut auf. Ja, wir quälen uns, aber mit jeder Kilometermarke, die wir passieren, steigt auch der Stolz darüber, dass wir es so weit gebracht haben.
Per Rutsche auf die Zielgerade
Einmal noch die Kupfer überqueren, ein mehrere Meter hohes Hindernis überklettern, per Wasserrutsche in das letzte Matschloch, das uns bis zu den Schultern verschluckt, und endlich ist es so weit: Hand in Hand überqueren wir die Ziellinie. „Wir haben es geschafft“, quieke ich. „Das glaubt uns niemand“, antwortet Adina. „Oh doch“, sage ich und schwenke die Medaille, welche unsere erfolgreiche Teilnahme beurkundet. Erschöpft, abgekämpft, durchgeschwitzt und vor Dreck stinkend lassen wir uns auf den Boden sinken. „Würdest du es wieder machen?“, fragt mich Adina. „Auf jeden Fall!“, antworte ich wie aus der Pistole geschossen und meine Kollegin pflichtet mir bei. Rats-Runners, wir sehen uns nächstes Jahr wohl wieder!
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Mehr über die Rats-Run-Läufe
Siebenmal fällt im Jahr 2022 der Startschuss bei Rats-Runners-Veranstaltungen. Drei davon stehen erst noch an. In der Region sind die Hindernis-Läufe schon in Bühlertann und Kupferzell bekannt. Mitmachen darf dabei jeder, der Lust auf Bewegung und Action hat und sich nicht davor scheut, dreckig zu werden. Auch Kinder sind willkommen.
Ohne Unterstützung geht‘s nicht
Ausgetragen werden die Events immer in Kooperation mit einem Verein, Sponsoren und Unternehmen, die unter anderem Hindernisse bauen oder stellen. Die Anmeldung zum Lauf ist online möglich. Zuschauen ist kostenfrei. gra
Mehr dazu unter www.rats-runners.de