Eben hat er noch selbst in einen unnachahmlich rasanten Spiel gemeinsam mit den anderen beiden „Messoudis“ die Positionen und Bälle während der Jonglage gewechselt. Nun sitzt Said Messoudi nach dem Applaus mit Hut, Brille und Zigarette auf einem Stuhl in der Manege von Zirkus Charles Knie – scheinbar entspannt. „Rauchverbot“, ermahnt ihn einer der Zirkushelfer witzelnd, während das mehrköpfige Live-Orchester weiter spielt und die Zuschauer neugierig warten.
Bildergalerie Premiere im Zirkus Knie
Was nun wohl passiert? Der Applaus belohnt die Messoudi Brothers nach ihrer „Messerwurfnummer“ mit Keulen, ihre Sixpacks glänzen dabei im Scheinwerfer-Licht. Durch gezieltes und schnelles Hin- und Herjonglieren haben die anderen beiden ihm seine Accessoires nacheinander vom Kopf geworfen, Said zuckt mit keiner Wimper. Wozu sie ihre Muskeln wirklich brauchen, zeigen die Männer später als Handstandartisten: Dabei formen sie unter anderem eine Viermann-Pyramide mit Vater Messoudi als kraftvolle Basis. Auf seinen Beinen und dem Kopf machen seine Söhne Handstand-Figuren, die unmöglich erscheinen und zugleich schön anzusehen sind.
Humor, Artistik, Musik, Tanz, Tiernummern, Lichtershow und viele aufwändige Kostüme bietet der Zirkus Charles Knie beim Haller Gastspiel am Wochenende auf den Kocherwiesen in Steinbach. Allein hunderte von Plakaten – über die ganze Stadt verteilt – haben neugierig gemacht auf den „europäischen Großzirkus“, wie er sich selber nennt. Das Zelt mit 1440 Plätzen ist zur Premiere etwa zur Hälfte gefüllt.
Fleisch als Lohn
Geworben wird besonders mit der gemischten Raubtiernummer von Alexander Lacey, die direkt nach der Pause startet. In der Tat ist es faszinierend, wie der Brite mit den Löwen und Tigern umgeht. „Good boy, good girl“, lobt er allenthalben und gibt ihnen zentimetergroße Fleischstücke zur Belohnung. Mit Vertrautheit dreht er den seit Generationen in Gefangenschaft geborenen Tieren den Rücken zu oder flicht spielerische Kämpfe und Sprünge ein. Gelassen schauen die gepflegten Tiere ihn an und folgen.
Staunen erntet auch Tatiana Kundyk, die zwischen Balance und Spagat auf dem Schlappseil tänzelt, als sei es ein Kinderspiel. Sie schwingt im erotischen Einteiler das Seil schaukelnd im Stehen, hockt auf zwei Stuhlbeinen obenauf und zeigt ihr Können mit einer entspannten Grundeinstellung.
Schummrig kann es einem werden, wenn direkt unter der zwölf Meter hohen Zirkuskuppel die „Flying Wulber“ mit dem fliegenden Trapez auch die gesamte Breite des Zeltes ausnutzen. Man schwingt gegeneinander, macht Salti und Pirouetten und fängt sich danach wieder auf. „Ah“, und „Oh“ raunt das Publikum und donnernder Zwischenapplaus, in dem so etwas wie Erleichterung mitschwingt, ertönt nach den gelungenen Abfolgen. Das große Sicherheitsnetz wird nur zum eleganten Abgang der Artisten aus aller Herren Länder gebraucht.
Clown Henry aus Venezuela nutzt vor allem die kleinen Umbaupausen für großes Gelächter. „Lachen ist gesund“, heißt passend eine seiner Nummern. Dabei lädt er mehrmals junge wie alte „Freiwillige“ in die Manege ein, oder macht eine komische Show als Aushilfskellner. Einmal fliegen – zum ungläubigen Erstaunen besonders der Kinder – sogar echte Spaghetti in die Zuschauerränge.
Üppiger Applaus
Marek Jama zeigt in drei Auftritten mit afrikanische Exoten, Lamas, weißen Arabern oder einem Shetland-Pony klassische Zirkusdressurnummern als Trainer. In der Pause kann man sich die Ställe und ihre Bewohner ansehen. „Wir haben keine Tiere aus der freien Wildbahn“, unterstreicht Pressesprecher Patrick Adolph.
Ausgesprochen kurzweilig verfliegen dabei die 2,5 Stunden unter der roten Zirkuskuppel. Die etwa 20 Programmpunkte werden dabei sehr professionell und gut vorgetragen. Üppiger Applaus belohnt beim Finale die internationalen Protagonisten.