Am Mittwoch klingelt gegen 11 Uhr das Telefon bei Wolfgang Kuhnle. Er kocht seiner Frau gerade ein Ei. Nichts Böses ahnend nimmt der 79-Jährige den Hörer ab. Im Display erscheint der Schriftzug „anonym“. Doch das nimmt der Rentner zunächst gar nicht wahr. Zu überrascht ist er von dem Anrufer. Der Mann mit der tiefen, akzentfreien Stimme gibt sich als Kommissar aus.
„Ob wir nichts von dem Überfall mitbekommen hätten, der sich im Weiler ereignete“, wird Kuhnle gefragt, der selbst nicht weit davon entfernt in der Johanniterstraße wohnt. „Die Polizei habe zwei Täter geschnappt, zwei weitere seien auf der Flucht“, wird dem Rentner eröffnet. „Das war alles so geschickt gemacht“, berichtet Kuhnle. Der Anrufer stellte keine Forderungen, sondern bat freundlich um Mithilfe. „Ob uns kein Auto aufgefallen sei oder besondere Personen?“, wurde Kuhnle gefragt. Pflichtbewusst antwortet er: „Nein, nichts.“
Daraufhin zieht der Trickbetrüger am anderen Ende der Leitung die Schlinge ein wenig fester zu. „Der angebliche Kriminalkommissar eröffnete mir, dass am Tatort ein Zettel mit meinem Namen darauf gefunden wurde. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass wir große Bargeldsummen im Haus hätten.“ Weiter wird der Besitz von Edelsteinen und Schmuck abgefragt.
„Da hätte ich eigentlich misstrauisch sein müssen“, berichtet Wolfgang Kuhnle. „Außer Bücher und Wolle haben wir nichts im Haus“, antwortet der ehemalige Lehrer der kaufmännischen Schule dem Anrufer pflichtschuldig.
Falsche Polizisten gehen geschickt vor
Der Trickdieb startet einen weiteren Versuch: Es gebe unzuverlässige Bankangestellte und das Geld der Rentner sei in Gefahr. „Dummerweise habe ich erwähnt, dass wir Geld auf der Bank haben“, ärgert sich Wolfgang Kuhnle hinterher.
Dabei hat er alles richtig gemacht. „Ich bin dann misstrauisch geworden und habe gesagt, dass ich zunächst die Polizei anrufe.“ Kuhnle wollte sich rückversichern und bat den Anrufer in einer Viertelstunde noch mal anzurufen. „Ich habe gleich die 110 gewählt.“ Doch die Polizei wusste von keinem Überfall im Weiler. Sie wusste jedoch von Hunderten Anrufen der Trickbetrüger.
„Wenn man von Trickbetrügern etwas liest oder hört, dann lacht man darüber“, sagt Kuhnle. Als er es nun am eigenen Leib erfährt, vergeht ihm das Lachen. „Die machen das so geschickt, dass man es nicht merkt.“
Obwohl alles gut gegangen ist und er besonnen reagierte, macht sich der Rentner heute noch Vorwürfe: „Ich hätte schon viel früher misstrauisch werden müssen.“ Doch er gehöre einer Generation an, die Respekt verspürt, wenn sich ein Polizist am Telefon meldet. Um andere zu warnen, hat sich Kuhnle an die Zeitung gewandt und auch bei der Polizei seinen Fall geschildert.
In letzter Zeit gab es hunderte Anrufe im Kreis Hall
Polizeipressesprecher Bernd Märkle weiß sofort, um was es geht, als ihm der Fall geschildert wird. „Wir haben Hunderte dieser Anrufe in den letzten Tagen im Landkreis Schwäbisch Hall.“ Die Polizei warne seit Längerem vor den Trickbetrügern.
„Es ist zum Glück kein einziger Fall aus den letzten Tagen bekannt, bei dem ein Opfer tatsächlich Geld verloren hat“, sagt Merkle. Doch in Crailsheim kam es vor mehr als einer Woche fast dazu. Ein Mann hatte schon Geld abgehoben, das er dem falschen Polizisten zur Aufbewahrung geben wollte. Doch die Trickbetrüger haben es am Telefon wohl ein wenig übertrieben. Sie haben dem Mann solche Angst vor einer angeblichen Schießerei gemacht, dass er sich in eine Polizeiwache begab. Dort schilderte er den Fall den Beamten, die den Betrug durchschauten.
Offensichtlich wollen die Täter den Rentnern vermitteln, dass mögliche Besitztümer oder Geld auf dem Konto vor den flüchtigen Räubern nicht sicher seien. „Manchmal wird auch ein Taxi geschickt, um die Rentner abzuholen“, berichtet Merkle.
Der Sender RTL strahlte kürzlich einen längeren Beitrag über die Betrugsmasche aus. Ein ganzes Telefonzentrum mit Trickbetrügern in der Türkei wurde ausgehoben.
Trickbetrüger haben Rentner im Visier
Oft trifft es Menschen mit älteren Namen. Die Täter suchen bevorzugt Senioren aus. Auch kurze, vierstellige Telefonnummern, wie im Fall von Wolfgang Kuhnle weisen auf ältere Menschen hin. Die Polizeidirektion Aalen hat noch keine heiße Spur. Warum wird der Landkreis Hall massiv heimgesucht? Märkle: „Ich vermute, dass die Täter einen bestimmten Rufnummernbereich abarbeiten. Für den haben sie dann auch einen Abholer organisiert.“
Tipps der Polizei gegen Betrüger
Seien Sie misstrauisch bei Anrufen, bei welchen es um Ihre Vermögensverhältnisse oder Wertgegenstände geht, rät die Polizeidirektion Aalen.
Vergewissern Sie sich, ob es sich bei dem Anrufer wirklich um einen Verwandten oder eine Amtsperson handelt. Rufen Sie die jeweilige Person unter der Ihnen bisher bekannten oder einer selbst recherchierten Nummer an und lassen Sie sich den Sachverhalt bestätigen.
Kontaktieren Sie bei geringstem Zweifel Angehörige, Freunde oder die Polizei und holen Sie sich Rat.
Geben Sie am Telefon keine Auskunft über Ihre finanziellen Verhältnisse und beenden Sie das Gespräch. Lassen Sie vermeintliche Abholer nicht ins Haus. Melden Sie den Vorfall bei der zuständigen Polizeidienststelle.
Übergeben Sie niemals Geld oder Wertgegenstände an Fremde.
Die Polizei bittet zudem Bürger, ihre Eltern, Großeltern oder Nachbarn über diese Betrugsmaschen aufzuklären.