Sie ist gerade dabei, eine Legende zu werden. Das spürt man deutlich. Die kanadisch-israelische Sängerin und Songwriterin spielt im ausverkauften Zelt des Sommerpalast-Festivals im Murrhardter Stadtgarten nach etwa 90 sehr bewegenden Konzertminuten die letzte Zugabe, den Song „Prayer of the Mothers“. Von ihr selbst geschrieben und komponiert, ist er zur Hymne einer großen Bewegung geworden. Das von jüdischen und arabischen Frauen gemeinsam gegründete Projekt „March of Hope“ hat das Lied in die Welt hinaus getragen und mit ihm die Botschaft des „Marsches der Hoffnung“.
Fast engelsgleich steht Deckelbaum in ihrem weißen und weiten Gewand auf der Bühne. Barfuß und mit einer kontrastierenden roten, halbakustischen Gitarre singt sie gemeinsam mit dem Publikum im schnellen Wechsel „Schalom und Salam“, die im Jüdischen und Arabischen üblichen Grußworte, die auch für Frieden stehen. „From the north to the south – from the west to the east – hear the prayer of the mothers – bring them peace, bring them peace.“ Das Publikum in Murrhardt singt begeistert mit. Zunächst noch etwas zögerlich, aber dann immer besser. Zumindest den englischsprachigen Teil des Textes. Die anderen Sprachen des Liedes übernehmen die Mitglieder ihrer Frauen-Band. Die fabelhaften „Mothers“ (Daniele Rubin – Keyboard / Shiri Burstein – Drums / Gal Maestro – Bass / Tal Sandman – Gitarre / Mfera Elabouni – Vocals) sorgen für den richtigen Drive. Denn Yael Deckelbaum kann nicht nur engelsgleich singen, sondern auch teuflisch gut röhren. „Please, Janis open up your arms“ fleht sie beim Titel „Take me home“ die Rock-Legende Janis Joplin an. Und das macht sie mit einer Stimmgewalt, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen veranlasst und wirklich aufhorchen lässt. Was für eine akustische Offenbarung!
Sommerpalast-Festival begeistert Besucher

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Doch bei allen rockigen und röhrenden Elementen bleibt ihre Botschaft immer zentraler Bestandteil ihrer lang andauernden Intros, die meist mit einem Sprechgesang unterlegt werden. Sie erzählt vor dem Titel „Giver of the light“, wie es Frauen geschafft haben, die Männer zu erfolgreichen Friedensverhandlungen zu bewegen. In „They
stopped cooking“ erläutert sie die ungewöhnliche Verweigerungs­-
strategie der Frauen. „And the other thing“, diese berühmte andere Sache, besingt sie natürlich auch zusammen mit den Zuschauern.
„What about the women“ – in Anlehnung an Bob Marley darf es da auch schon einmal ein Reggae sein. „Women of the World unite“ – Frauen der Welt, vereinigt euch. Yael Deckelbaum und ihre Mothers überzeugen am heißen Sommerpalast-Abend im Murrhardter Stadtgarten. Ruhige, poetisch wirkende Songs wechseln sich ab mit knallenden und rockigen Stücken. Wobei die Stimme der israelischen Sängerin bei den rockigeren Stücken deutlich besser zur Geltung kommt.
Die engelsgleiche Gestalt mit der teuflisch guten Stimme muss einfach jeden verzaubern. Und das tut sie auch. Nach viel zu kurzen 100 Konzertminuten verabschiedet sie sich vom fasziniert wirkenden Publikum. „Ich komme wieder“, kündigt sie an. Hoffentlich.