Jakob Stenzel macht schön und hässlich, jung und steinalt. Er knüpft Bärte und Schnäuzer aus Echthaar, setzt Augenbrauen höher, verwandelt ebenmäßige Nasen in rote Gimpel, lackiert abscheuerregende Fingernägel und verleiht einem Antlitz markante Gesichtszüge. Maskenbildner ist Jakobs Traumberuf – und das liegt an seiner Berliner Tante, die sich einige Zeit in Amerika aufgehalten hatte. „Sie hat mir gezeigt, wie man Halloween richtig feiert, furchterregende Fantasiefiguren geschaffen und das ganze Haus gruselig dekoriert“, erzählt der 26-Jährige.
Aufgrund dessen wusste er schon als Siebtklässler, dass das Verkleiden und Verwandeln seine Passion ist. Zehn Jahre bereitete er sich auf den Beruf vor, machte erst eine Ausbildung zum Kosmetiker in Berlin, dann eine zum Friseur im brandenburgischen Rangsdorf. Nun lernt er im ersten Ausbildungsjahr Maskenbildner am Würzburger Mainfrankentheater und arbeitet in der Spielstätte „Blaue Halle“ in der Universitätsstadt.
Alle Register gezogen
Dafür, dass es mit seinem Ausbildungsplatz klappt, zog Jakob alle Register. Er setzte alles daran, aufzufallen, wählte ein Sakko im Zeitungspapiermuster, entschied sich für ein Tages-Make-up und reiste mit einer selbst designten A3-Bewerbungsmappe im Querformat an. Die beiden Ausbildungen, Jakobs Auftreten, sein Sinn für Humor und seine offene, direkte Art haben Chefmaskenbildner Wolfgang Weber überzeugt. Jakob hatte sich gegen 103 Mitbewerber durchgesetzt.
Am 1. September 2021 ging’s dann gleich richtig los. Jakobs erste Aufgabe war es, eine Montur zu nähen – etwas, das er vorher noch nie gemacht hatte. „Bei diesem ersten Schritt bei der Herstellung einer Perücke handelt es sich um ein Netz, in das Echthaar geknüpft wird“, erklärt der junge Mann. Danach knüpfte er einen Oberlippenbart. „Drei Tage habe ich daran gesessen“, erinnert er sich. Der Bart hatte seinen „Auftritt“ in der Premiere von „Die glückliche Hand/Gianni Schicchi“. Außerdem schminkte Jakob zwei der Sänger für den Bühnenauftritt. „Meine Kolleginnen links und rechts warfen nur kurz einen Blick auf das Ergebnis und dann ging es für die Darsteller schon raus auf die Bühne. Dass ich als Anfänger gleich voll mitarbeiten und solche verantwortungsvollen Sachen machen durfte, damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Jakob und freut sich über die Vorschusslorbeeren.
Ein Gespür für den Gemütszustand
Maskenbildner haben mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Während des Kreierens einer Rolle setzen sie sich mit dem Regisseur, der Ausstatterin und dem Schauspieler auseinander. Immer wieder müssen Kompromisse gefunden werden.
In der „Maske“, dem Raum, in dem die Darsteller geschminkt und frisiert werden, braucht Jakob, der aktuell für die Oper arbeitet, ein Gespür für den jeweiligen Gemütszustand des Sängers. „Kann man entspannt quatschen oder ist es angesagt, lieber zu schweigen und zügig zu arbeiten?“ Etwa, einem Sänger ein Gesicht zu geben, indem man es einschattiert, also manche Partien aufhellt und damit hervorhebt und andere abdunkelt. Das nennt man „Markant-Schminke“, erklärt der 26-Jährige. „Wenn man das Gefühl hat, es ist zu viel Make-up, dann ist es für die Theaterbühne gerade richtig“, weiß Jakob, und taucht den Pinsel in die Tiegel und Töpfe.
Adrenalinkick beim „schnellen Umzug“
Auch bei den „schnellen Umzügen“ am Abend steht der Nachwuchs-Maskenbildner hinter der Bühne bereit. Sitzt die Frisur noch oder sollte eine widerspenstige Locke mit der Haarnadel gebändigt werden? Muss das Gesicht nachgeschminkt werden? Einmal, erinnert er sich, hatte ein Darsteller seinen Hut auf der falschen Bühnenseite abgelegt, und es war nur noch eine Minute Zeit. Der Azubi sprintete durch die ganze Halle, um ihn zu holen, und konnte das Accessoire in letzter Sekunde gerade noch zuwerfen. Ein Adrenalinkick für Jakob und eine Aktion, die hinter der Bühne für große Aufregung sorgte, von der die Zuschauer im Saal aber nicht das geringste mitbekommen hatten. Sie sind gefangen im schönen Schein, zu dem auch Jakob beiträgt.
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Ausbildung und Karriere
Pro Jahr werden deutschlandweit lediglich 60 bis 70 Maskenbildner im dualen System an den drei Berufsschulen in Berlin, Hamburg und Baden-Baden ausgebildet. Jakob verbringt sechs bis acht Wochen am Stück am Mainfrankentheater und anschließend zwei bis vier Wochen in der Berufsschule in Baden-Baden. Nach der Ausbildung sind weitere Fortbildungen möglich.
Das Magazin „Next Step“
In Next Step gibt es hilfreiche Tipps und Infos rund um die Themen Ausbildung und Studium in der Region. Larissa Rieß ist der Titelstar der Juli-Ausgabe. Das ausführliche Interview mit der Moderatorin sowie tolle weitere Geschichten gibt es in der gedruckten Ausgabe. Hier geht es zur Online-Version des Magazins.