Nur für einen Teil der Teilnehmer bei Lauf geht’s steht der sportliche Ehrgeiz an erster Stelle. Das Training ist durchaus für geübte Läufer geeignet, um Laufstil und Geschwindigkeit zu verbessern. Doch die Mehrheit der Läufer und Walker nehmen aus gesundheitlichen Gründen teil. Sei es, um nach etlichen unsportlichen Jahren ohne Blessuren wieder beweglich zu werden, sei es, um die Beschwerden durch chronische Erkrankungen zu lindern. Jeder weiß, dass Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, hohe Cholesterinwerte auch mit Bewegungsmangel zusammenhängen. Und jeder weiß auch, dass Sport die Beschwerden lindern, die Gesundheit wieder herstellen kann.
Wenn Uwe Flickenschild donnerstags an der Kohlenstraße beim Haller Einkorn aus seinem Auto aussteigt, winken ihm einige aus der Walking-Gruppe freundlich zu. „Hallo“, sagt Leo Moschinski, „wie geht’s dir heute?“ Sie ist eine der Walking-Trainerinnen, sie hat den 57-Jährigen seit dem offiziellen Start der Lauf-geht’s-Aktion intensiv begleitet. Intensiv deshalb, weil Uwe Flickenschild mit seinen hohen Gewicht, Bluthochdruck und einer gut funktionierenden Knieprothese zu den Risikoteilnehmern der Gruppe gehörte. Dass Flickenschild einst ein guter Handball-Torhüter war, als Zimmermann auf Dachstühlen leichtfüßig auf- und abging, sah man ihm nicht mehr an. „Aber ich weiß ja, wie das mit dem Sport funktioniert. Wie die Mechanismen sind. Und deshalb hatte ich die Hoffnung, dass es besser wird.“
Corona verhagelte den gemeinsamen Trainingsbeginn im Frühling. Flickenschild startete deshalb zunächst alleine. „Ich habe mit unter einem Kilometer angefangen“, blickt der Projektleiter beim Staatlichen Hochbauamt Schwäbisch Hall zurück. „Anfangs habe ich auch nicht alle Aufgaben geschafft.“ Zwar sind beispielsweise die Mobilisations- und Stabilisationsübungen vom Ablauf her einfach auszuführen, aber sie haben es in sich. Sie fordern Kraft, Balance, Beweglichkeit. Und sie fördern eben auch diese Fähigkeiten.
Mit den Wochen wurde es leichter. Die Füße schmerzten nicht mehr beim Gehen. Nach dem Gehen waren die Beine leichter, die Knöchel nicht mehr so dick geschwollen wie zuvor. „Es wurde langsam besser, ich merkte, da passiert was.“
Der zeitliche Aufwand fürs Training ist beträchtlich: pro Woche drei Trainingseinheiten Walken und ein High-Intensity-Training über wenige Minuten. Doch für Uwe Flickenschild kam und kommt das gerade richtig. „Ich muss was tun, damit ich meine ganzen Aufgaben bewältigen kann.“ Denn seine Frau ist unheilbar krank. Zusätzlich zur Berufs- und Hausarbeit kommen die damit verbundenen Aufgaben. Mit dem Training kommt Uwe Fleckenschild regelmäßig aus dem Haus. „Ich laufe meist alleine. Ich brauche die Zeit für mich. In manchen Situationen konnte ich abschalten, meinen Sorgen davonlaufen. Beim Laufen gewinne ich mehr Energie – verbunden mit Lebensfreude. Ich gewinne Körperlichkeit und Beweglichkeit.“ Dass er beim Donnerstagstraining eine ganze Reihe an Frauen und Männern begegnet, mit denen er quasi laufend spricht, tut ein Übriges. Ihm gefällt die Gemeinschaft, und seine Mitläufer, das ist offensichtlich, haben den bärigen Mann ins Herz geschlossen. „Das Training kostet viel Zeit“, sagt der 57-Jährige, „aber die ist gut investiert.“
Bald steht der Halbmarathon an
Das letzte Drittel des Lauf-geht’s Programms steht nun an. Uwe Flickenschild bringt aktuell 13 Kilogramm weniger auf die Waage als zu Beginn. „Es waren auch schon weniger, derzeit geht es rauf und runter. Ich gönne mir auch was. Aber es ist für mich schon ein persönlicher Erfolg.“ Sechs, sieben Wochen noch, dann geht das Programm voraussichtlich mit dem Halbmarathon zu Ende. „Ich hoffe, dass ich den Halbmarathon schaffe. Aber bei mir sind andere Voraussetzungen als bei den meisten Mitläufern. Ich werde eine Woche zuvor entscheiden, ob ich an den Start gehe.“ Inzwischen walkt Uwe Flickenschild zehn Kilometer ohne Probleme. „Zwei Stunden schaffe ich ganz gut“. Er blickt auf die ersten Wochen zurück, als er keinen Kilometer zügig gehen konnte und stellt staunend fest: „Das hätte ich nicht gedacht, dass das möglich ist.“