Gut 100 Jahre später sind sie wieder bei ihrem rechtmäßigen Besitzer: Postkarten aus dem Jahre 1897, die an das Haller Tagblatt geschrieben wurden. Es sind schmucklose graue Karten, im Format etwas kleiner als unsere heutigen Postkarten. „Deutsche Reichspost“ steht darüber oder „Königreich Bayern“ – die eine aus Düsseldorf, die andere mit Poststempel aus Ansbach.

Absender: ein Düsseldorfer Arzt

Den Text auf der Rückseite kann man nur erraten. „Zur Messe“ – so beginnt die Karte aus Bayern. Ein oder eine F. Achtenbusch aus München bietet wohl „ein Wachstuch, Betteinlagen für Kranke und Kinder, neu für 50 Pfennigen“ an. Die Rückseite der anderen Karte lautet in etwa so: „In Crailsheim am Donnerstag am 6. April (1893) von morgen 10 Uhr bis abend im Hotel Faber.“ Geschrieben wurde die Karte von einem Arzt aus Düsseldorf.
Manfred Kistner hat vor vielen Jahren von einem Bekannten einen Schuhkarton mit alten Briefen geschenkt bekommen. Darin befanden sich neben vieler privater Briefe auch diese Postkarten an die Zeitung.
Nun hat der Haller Rentner aber noch einen dicken Ordner dabei, den er auf Anfrage öffnet. In Plastik gesteckt, befinden sich darin Briefumschläge, adressiert an Manfred Kistner, mit vielen bunten Briefmarken und Sonderstempeln.
Der Sammler, der einst eifriger Leser der Briefmarkenzeitung war, erfuhr in dieser, dass ein Kollege seines Hobbys einmal die Postleitstellen vieler Länder angeschrieben hatte, mit einem internationalen Antwortschein und einem Rückumschlag an ihn selbst adressiert. Auf diese Weise erntete er Marken aus aller Welt. Das wollte der Haller auch versuchen. Vor allem die fernen Länder reizten ihn.

Etwa 50 Länder angeschrieben

Gegen Ende der 1960er-Jahre versieht er Briefumschläge mit exotisch klingenden Adressen, den Text hat er von dem Kollegen aus der Briefmarkenzeitung kopiert, und in die Umschläge steckt er noch ein paar dekorative deutsche Briefmarken.. Man kann ja nie wissen. Vielleicht freut es die Menschen am anderen Ende der Welt, und vielleicht schreiben sie ja mit umso mehr Marken- und Stempeln zurück.
Manfred Kistner hat Erfolg. Etwa 50 Länder schrieb er an. Nur Butan blieb ihm Antwort und Briefmarken schuldig. „Wer weiß, vielleicht ist da der Esel mit der Gepäckpost abgestürzt“, witzelt der pensionierte Polizeibeamte.
Konrad Adenauer ist auf auffällig vielen südafrikanischen Briefumschlägen zu sehen. 1967 war sein Todesjahr. Die Ghanaer, Senegalesen, Nigrer gedachten ihm.
Zur Olympiade in Mexiko 1968 wandte Kistner eine andere Strategie an. Er wollte unbedingt an den Sonderstempel mit Sonderzug-Motiv kommen. Je mehr Briefe er zurück geschickt bekam, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass der Stempel draufgedrückt wurde.
Also schickte er drei Briefe an seinen Bruder Heinz Kistner – ohne Anschrift, denn der Bruder lebte ja niemals in Mexiko. Er schrieb nur den Namen und „postlagernd“ auf den Umschlag. Nach fünf Tagen sollte man den Brief zurückschicken, wie er auf der Schreibmaschine in englischer und französischer Sprache darauf tippte. Kistner bekam seinen Sonderstempel.

Sich selbst Brief geschrieben

Auf Briefen von den Neuen Hebriden ist die Pazifik-Schlacht von 1942 abgebildet. Malaysia wartet mit blumenreichen und bunten Marken auf. Nicht so exotische, aber sehr schöne Briefmarken hat ihm Österreich gebracht. Aus San Marino, wo er einst im Urlaub war, hat er sich selbst einen Brief geschrieben.
So blättert der Senior in dem Ordner, in dem weit gereiste Briefe einen Hauch Exotik versprühen. Er war einmal in Kenia. Das war lange vor der Zeit, als er daheim so oft mit Spannung in seinen Briefkasten schaute.
Kistner war nie in einem Briefmarkenclub. Dort ging es ihm zu professionell zu. Er betrieb sein Hobby nur wegen der schönen Marken und der Freude am Sammeln. „Aber das ist alles lange her.“