Alle Jahre wieder ist es so weit, der Tag der Zeugnisausgabe steht an. Die letzten Klassenarbeiten und Vokabeltests sind geschrieben, korrigiert und die Noten von dem Fachlehrer abgegeben. Während einige Schüler einer Belobigung oder gar einem Preis entgegenfiebern, bereitet den anderen allein der Gedanke an die Zeugnisausgabe Kopfschmerzen.
Für die Schüler der Unter- und Mittelstufe handelt es sich um eine Halbjahresinformation, bei den Oberstufenschülern der Haller Gymnasien ist auch das Zwischenzeugnis von großer Bedeutung. So auch bei Viet Do aus Hessental. Der 17-jährige Schüler des Gymnasiums bei St. Michael wird im Frühjahr dieses Jahres sein Abitur schreiben. Er blickt den Prüfungen jedoch relativ gelassen entgegen. Viet, dessen Eltern im Jahre 1980 aus Vietnam nach Deutschland immigrierten und der in Deutschland geboren wurde, fällt das Lernen nicht schwer. Doch auch er hatte nicht immer ein „Einserzeugnis“.

Selbstdisziplin ist wichtig

„Ich erinnere mich noch an meine Zeit in der dritten Klasse, da fehlte mir die nötige Motivation. Ich hatte keinen Ansporn und schlechte Noten waren mir egal“, erzählt Viet. Das ist nicht ungewöhnlich bei Grundschülern. Dass er jedoch im Alter von neun Jahren selbst den Entschluss fasste, seine Hausaufgaben nicht mehr schleifen zu lassen, um die vierte Klasse mit einem sehr guten Zeugnis zu beenden, ist ungewöhnlich. Dabei waren es nicht die Eltern des damaligen Grundschülers, die bessere Leistungen forderten.
Die Grundschulempfehlung war noch verbindlich und Viet somit der Erste seiner Familie, der anders als seine älteren Brüder, die heute beide studieren, das Gymnasium besuchte.
Doch wie gelingt es, in der Schule so erfolgreich zu sein? Am wichtigsten sei es, Prioritäten zu setzen und eine gesunde Portion an Selbstdisziplin zu besitzen, meint Viet. Doch wie bei allem kommt es auch beim Lernen auf ein gesundes Maß an. „Man sollte es nicht übertreiben“, rät Viet. In seiner Freizeit fährt er gerne Fahrrad oder schraubt an seinem Drahtesel herum. Außerdem ist Elektrotechnik eines seiner Hobbys. Dabei wundert es nicht, dass der angehende Abiturient einen Studienplatz für ein duales Studium im Bereich „angewandte Informatik“ in der Tasche hat.
Doch das ist keineswegs selbstverständlich, weil sich der Hessentaler alles selbst erarbeiten musste. Beide Elternteile des 17-Jährigen sprechen nur schlecht Deutsch. Zuhause wurde schon immer nur Vietnamesisch gesprochen, und einzig durch seine beiden älteren Brüder und den Kindergartenbesuch erlernte Viet die deutsche Sprache. „Mit meinen Eltern spreche ich im Jahr höchstens zwei Sätze Deutsch“, erklärt Viet.
Wie jeder Schüler hat auch Viet Fächer, auf die er lieber verzichten würde. „Sport und Musik waren noch nie meines, und auch meine Schrift ist nicht die schönste“, verrät er lachend. Doch mit Fleiß und einer gesunden Portion Ehrgeiz sind auch die ungeliebten Fächer zu meistern. Denn wie heißt es so schön: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.