Auf einer Tafel haben die Landwirtinnen kleine Karten festgepinnt, auf denen sie schreiben, „was mich bewegt“. „Die Bäuerinnen zum Sprechen bringen“, heißt es da. Die Karte direkt darunter drückt den Wunsch aus, „dass die Männer in der Landwirtschaft besser auf die Frauen hören sollen“.
Wer nicht spricht, kann nicht gehört werden. Bei ihrer 3. Internationalen Tagung sind die Frauen aus der Landwirtschaft unter sich, und da endlich sprechen sie laut und deutlich. Mut dazu machen ihnen engagierte Referentinnen wie Anne Dirksen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die selbst einen Hof hat und das Dilemma kennt, in dem viele Bäuerinnen stecken: die Zukunftsängste, die bange Frage, ob man dieses harte Leben seinen Kindern zumuten möchte. Die Partnerschaft, die bei den langen Arbeitstagen leicht auf der Strecke bleibt, wenn man nicht sehr gut auf sie aufpasst. Dazu der Mangel an gesellschaftlicher Anerkennung, die innere Einsamkeit, die oft gnadenlose Konkurrenz um knapp werdendes Ackerland.
Absicherung für Scheidung
„Wenn Ihr Mann krank wird und sich die Familie vom Nachbargehöft nach seinem Befinden erkundigt, fragen Sie sich manchmal: Ist das Mitgefühl oder Gier?“ Ein Raunen geht durch den Raum. Ja, das fragen sich hier erstaunlich viele. Ebenfalls unter dem Motto „keine Tabus“ rät Dirksen zudem dringend, sich rechtzeitig um die eigene Absicherung im Falle einer Scheidung zu kümmern.
Eine Unmenge von Fragen und Erlebnisberichten löst die Schweizer Diplomingenieurin Katja Heitkämper mit ihrem Beitrag zum uralten Thema „Das bisschen Haushalt“ aus. Sie hat in einer – wie sie sagt „nicht repräsentativen“ – Umfrage herausgefunden, dass sich Frauen in der Landwirtschaft, abgesehen von der Arbeit im Betrieb, überwiegend ums Kochen, Backen, Waschen und Bügeln kümmern. „Das Thema Hauswirtschaft muss wieder in die Schulen zurück, um ernst genommen zu werden“, fordert eine Frau aus dem Publikum und erntet begeisterten Beifall.
Nur 2,5 Minuten für Beziehung
Rein rechnerisch haben die von Heitkämper befragten Bäuerinnen 2,5 Minuten pro Tag Zeit für den Punkt „Partnerschaft und Beziehung“. Ein zentrales Thema, das Familienberaterin Angelika Sigel ebenso aufgreift: „Die Partnerschaft darf nicht verschlampt werden.“ Aus dem Publikum meldet sich eine junge Frau zu Wort: „Es geht hier immer um die klassischen Mann-Frau-Beziehungen“, sagt Monika Thuswald von der Österreichischen Berg- und Kleinbauernvereinigung. „Es gibt aber auch in der Landwirtschaft längst andere Formen des Zusammenlebens, wie homosexuelle Beziehungen oder Hofkollektive.“ Letztere böten gute Einstiegschancen für junge Leuten, die nicht aus einer Bauernfamilie kommen.
Für Frauen wie Hildegard Brändle ist das Miteinander auf Augenhöhe in ihrer Partnerschaft selbstverständlich. Neben ihren Aufgaben als Bäuerin ist sie als Beraterin auf Höfen unterwegs und weiß: Es gibt noch immer zahlreiche Frauen, die zwar hart arbeiten, jedoch nicht mitreden dürfen.
[Link auf Beitrag 20112228] Interview: „Sie lassen sich das nicht mehr gefallen“