Paukenschlag im Gemeinderat am Mittwochabend: Schwäbisch Hall rückt der beitragsfreien Kinder­be­treuung in Einrichtungen im Stadtgebiet so nah wie noch nie. Der Gemeinderat verlässt sein Ziel, das er sich in einem Beschluss am 29. Juli 2015 gesetzt hat: Das Geld der Eltern soll nach und nach einen Deckungsbeitrag der Kosten für die Kinderbe­treuung von 15 Prozent bringen. Auslöser für die Veränderung sind drei Anträge der SPD, die breiten Konsens im Gemeinderat finden.
„Wir beauftragen die Verwaltung im Rahmen des nächsten Doppelhaushalts, ein Konzept vorzulegen, wie die Gebührenfreiheit in den städtischen Kindertageseinrichtungen umgesetzt werden kann“, nennt SPD-Fraktionsvorsitzender Helmut Kaiser einen Teil des Antrags. Der wird im Verlauf der Diskussion noch leicht verändert. Vor allem Andrea Herrmann macht Druck und will es konkreter haben. „Die Verwaltung macht 2019 ein Konzept, das dann für den Doppelhaushalt 2020/2021 vorgelegt wird und in 2020 umgesetzt werden kann?“, fragt die Fraktionsvorsitzende der Grünen nach. Kaiser und Fraktionskollege Rüdiger Schorpp bestätigen das. Zudem sollen aus Sicht von Herrmann alle Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet berücksichtigt werden. Thomas Preisendanz will auch eine Veränderung, weil ihm das „Wie“ im Antrag zu weit geht. Der FDP-Fraktionsvorsitzende will es durch ein „Ob“ ersetzen. „Das wäre eine zu starke Verwässerung“, entgegnet Kaiser. Es bleibt beim „Wie“. Bei drei Enthaltungen der FDP (Thomas Preisen­danz, Kristian Neidhardt und Ruth Striebel) stimmt der Gemeinderat entsprechend des SPD-Antrags dafür, die Verwaltung zu beauftragen, für den nächsten Doppelhaushalt ein Konzept vorzulegen, wie die Gebührenfreiheit umgesetzt werden kann.
Kaiser erläutert die beiden anderen Teile des SPD-Antrags. Bis zur Einführung der Beitragsfreiheit wird auf Gebührenerhöhungen verzichtet (einstimmig). Zudem verabschiedet der Gemeinderat eine Resolution an die Landesregierung – das Land bekommt für die Kinderförderung Geld vom Bund, das es den Kommunen zur Umsetzung der Gebührenfreiheit überlassen soll (drei Neinstimmen von Joachim Härtig, Jutta Niemann und Sarah Bermann; eine Enthaltung von Monika Jörg-Unfried, alles Grüne).
Die Zeit sei reif, es gehe um ein „kraftvolles Signal für eine kinderfreundliche Stadt“, denn seit dem Beschluss im Sommer 2015 habe sich viel verändert, betont Kaiser. Hintergrund sind finanzielle Mittel von Bund und Land, um die Qualität der Einrichtungen nach und nach zu erhöhen. Kaiser nennt über 700 Millionen Euro, die Baden-Württemberg bis 2022 vom Land erhalte. „Das Hauptdilemma besteht doch darin, dass es seitens des Landes keine Bereitschaft gibt, die Verantwortung für Bildungsaufgaben zu übernehmen“, sieht OB Hermann-Josef Pelgrim vor allem das Land in der Pflicht. Für den SPD-Stadtrat Nikolaos Sakellariou wäre die Gebührenfreiheit die größte Familienförderung in der Stadtpolitik der vergangenen Jahre, aber es müssten mit Blick auf die Refinanzierung vorab viele Aspekte diskutiert werden.
„Andere Kommunen haben schon vorgemacht, dass es geht, und die sind finanziell viel schlechter gestellt als Schwäbisch Hall“, sagt Uta Rabe (CDU). „Die Gebührenfreiheit für Kinder­tagesstätten ist auch unser po­litisches Ziel“, unterstützt FWV-­Stadtrat Edmund Felger. Die fraktionslose Damiana Koch fragt: Was zeichnet Schwäbisch Hall ­als Stadt aus? Und antwortet, nicht „aufstrebende Kulturstadt“, ­sondern „aufstrebende Familien- und Bildungsstadt“ müsse es heißen.

Über den Antrag der Grünen wird nicht abgestimmt

Zu Beginn der Sitzung legt Andrea Herrmann für die Grünen noch einen Antrag auf den Tisch, der weiter geht als die Anträge der SPD. „Wir beantragen Gebührenfreiheit in den Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet von Schwäbisch Hall ab 2020 für Kinder zwischen drei und sechs Jahren in der Grundbetreuung. Die Verwaltung möge die Umsetzung dazu im nächsten Jahr vorbereiten.“ Die Fraktionsvorsitzende liefert die Begründung mit: Kindertageseinrichtungen seien Bildungseinrichtungen wie die Schule und der Zugang zu Bildung sollte generell kostenfrei sein. Beitragsfreie Bildung von Anfang an bedeute echte Unterstützung für Familien. Bildung und Erziehung von Kindern seien keine Privatsache, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das geht OB Hermann-­Josef Pelgrim zu weit. Ohne Deckungsbetrag will er über diesen Antrag nicht abstimmen lassen. Er nennt jährlich rund 2,5 Millionen Euro, die dann ersetzt werden müssten. 1,6 Millionen Euro nehme die Stadt durch die Elternentgelte ein und der Rest gehe an freie Träger. Im Gemeinderat wird über die drei SPD-Anträge abgestimmt, nicht über den Antrag der Grünen. cus