In dem, was sich in Gaildorf zur Sicherung der ärztlichen Versorgung getan hat, sehen wir die Zukunft!“ Das sagt der Politiker Manfred „Manne“ Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) beim Informationsbesuch im Ärztehaus. Der Sozialminister des Landes, seit 33 Jahren in der Welt der Gesundheitsberufe daheim, ist gekommen, versichert er der Investorenfamilie Schick, Bürgermeister Frank Zimmermann, Vertretern von Ärzteschaft und Frasch-Apotheke, Hebammen und der AOK, um zu erfahren, wo es im Land noch klemmt.
Das tut es enorm, gibt ihm Karin Schick zu verstehen. Sie skizziert die „Riesen-Diskrepanz“ zwischen Stadt und Land in der ärztlichen Versorgung. Beispiel: Im Kreis Hall komme auf 12 500 Einwohner ein Augenarzt, im Raum Ulm liege des Verhältnis bei 1:7500. „Wir liegen hier“, sagt sie, „in allen Bereichen im letzten Drittel.“ Zudem sei der ländliche Raum wohl nicht attraktiv für einen Facharzt. Und wenn doch, gebe es für ihn keinen freien Sitz.
Nächster Kritikpunkt: Der neue Operationssaal, in dem „außer Eingriffe am offenen Herzen“ fast alles machbar sei. Aber obwohl das Haller Diakonie-Klinikum gerne die freie Kapazität in Gaildorf nutzen wolle, „dürfen die hier nicht operieren.“ Ehrenbürger Gerhard Schick, der deshalb auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung schon im Clinch lag, versteht hier die Welt nicht mehr.

„Es kommt niemand“

Luchas Haller Parteifreunde, Bundestagsabgeordneter Harald Ebner und Landtagsabgeordnete Jutta Niemann, die die Situation rund ums Ärztehaus kennt, machen sich eifrig Notizen. Mit ernster Miene verfolgen sie die Ausführungen der Ärzteseite. Jörg Manderscheid berichtet über das gemeinsam mit Kollegen gegründete Zentrum für Familienmedizin. Damit wolle man mittelfristig die Sicherung des ärztlichen Nachwuchses gewährleisten. Minister Lucha nickt anerkennend, und er staunt über diese „wirklich kluge Marketing­strategie“.
Doch die von Karin Schick genannten „idealen Voraussetzungen“ für medizinischen Nachwuchs, der hier die komplette Infrastruktur vorfinde, werden laut Manderscheid nicht honoriert: Immer weniger Kollegen suchten den Weg in die Allgemeinmedizin, forderten mehr Geld. Ähnlich sei es bei den Fachärzten: Noch stünden zwei Einheiten leer, „aber es kommt niemand“. Bürgermeister Zimmermann möchte „das Gesagte fett unterstreichen“. Eine gute ärztliche Versorgung sei ein wichtiger Standortfaktor. Dazu zähle auch die wertvolle Arbeit der Hebammen, „von denen es nicht mehr viele gibt“.
Für Manfred Lucha ist klar: „Verbal sind wir uns schon sehr einig.“ Er sei dankbar für die nun in Gaildorf gewonnenen Rückmeldungen. Mehrmals wiederholt er seine Bitte, ihn mit solchen Informationen zu versorgen. Denn die Zeichen innerhalb der Gesundheitspolitik stünden günstig: „Noch nie hatten wir so viel Konsens.“ Er sehe einen „deutlichen Silberstreif am Horizont“.
Was die angesprochenen Ärzteeinkommen betrifft, verweist er auf das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Und auf den gesellschaftlichen Wandel. Die Alternative sei Dirigismus. Zu den Niederlassungsbeschränkungen für Ärzte, die auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung genau untersucht werden müssten, erhofft er sich Klarheit durch ein Gutachten.
Deutliche Worte finden hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Vergütung die Hebammen Susanne Otter und Christa Autenrieth. Seit den 1990er-Jahren gehe es stetig bergab, Kolleginnen hörten reihenweise auf. „Unser Berufsstand“, klagt Christ Autenrieth, „ist einfach abgeschrieben!“ Kritik am kürzlichen Schiedsspruch wird laut. Den will sich Lucha nun genau anschauen. Dazu bittet er die Hebammen um weitere Infos. Denn bereits am  Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung des Sozialausschusses.

„Glückwunsch an die Gemeinde“

Die Zeit wird langsam knapp. Zehn Minuten bleiben noch für die kurze Besichtigung des Ärztehauses – nach der Bitte von Apotheker Hans Ulmer, das Versandhandelsverbot für Medikamente aufrechtzuerhalten. Lucha nickt, „das sehe ich wie Sie“. Auch ein kurzes Gespräch im AOK-Kundencenter mit Geschäftsführerin Michaela Lierheimer und Centerleiter Manfred Schmierer ist noch drin, bevor Manfred Lucha zum nächsten Termin eilt. Zum Abschied gibt es noch einen „Glückwunsch an die Gemeinde“ für das Ärztehaus. Lucha: „Superschön!“