An einem August-Samstag im letzten Jahr stehen mittags zwei Polizeibeamte vor der Wohnungstür eines Gaildorfer Paares. Sie kündigen eine Durchsuchung an. Einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss haben sie nicht. Das Paar will die Beamten an der Tür stoppen. Der anschließende Schlagabtausch beschäftigte jetzt das Haller Amtsgericht.
In zwei Punkten unterscheidet sich dieser Fall von anderen, in denen Polizisten auf Widerstand stoßen. Erstens: Das Paar, bei dem die Beamten klingelten, war selbst gar nicht verdächtig. Gesucht wurde eine dritte Person, die sich möglicherweise in der Wohnung aufhielt. Zweitens: Die Beamten hatten nichts Schriftliches in der Hand, sondern beriefen sich auf einen „fernmündlichen“ Durchsuchungsbeschluss.

Paar verlangt schriftlichen Durchsuchungsbeschluss

Dabei ging es nicht um Mord oder Totschlag, sondern um die Fahrt mit einem abgemeldeten Auto. Zwei Streifenbeamte hatten gesehen, wie ein unbekannter Fahrer einen nicht zugelassenen blauen A3 durch Gaildorf steuerte. Neben dem Fahrer soll die Frau gesessen haben, die jetzt zusammen mit ihrem 37-jährigen Lebensgefährten angeklagt war.
„Ich kannte die Frau aus anderen Einsätzen“, sagt einer der Polizisten (33) als Zeuge. Gezielt fuhr er mit seinem gleichaltrigen Kollegen zu der Wohnanschrift dieser Frau, um nach dem Fahrer des blauen Audis zu fragen. Die 26-Jährige aber schlug ihnen die Tür vor der Nase zu.
Amokfahrt mit Tempo 200 - Flucht vor Polizei
B29 Lorch/Schwäbisch Gmünd
Amokfahrt mit Tempo 200 - Flucht vor Polizei
Schwäbisch Gmünd
Die beiden Polizisten gaben nicht auf. Sie riefen bei einem Heilbronner Staatsanwalt und einem Heilbronner Bereitschaftsrichter an und holten sich fernmündlich einen Durchsuchungsbeschluss.
Mit dem Fuß in der Tür ließen sie sich ein zweites Mal an der Wohnung der Frau nicht abschütteln. Als die 26-Jährige laut um Hilfe schrie, kam ihr Lebensgefährte dazu. Der 37-jährige Industriemechaniker war nicht der gesuchte Fahrer des blauen Audis. Auch er verlangte einen schriftlichen Beweis für den Durchsuchungsbefehl.
Was dann geschah, liest sich im offiziellen Polizeibericht so: „Der 37-Jährige wurde zunehmend aggressiver, was in einem Faustschlag gegen einen Polizeibeamten gipfelte.“ Den Faustschlag hat es gegeben. Der Polizist bekam Nasenbluten. Aber die Vorgeschichte zum Faustschlag steht nicht im Polizeibericht.

Rangelei führt zu Schlagstockeinsatz und blutiger Nase

Bei dem Streit an der Tür hatte der andere Beamte zum Schlagstock gegriffen. Er hatte den Industriemechaniker im Rippenbereich getroffen. In diesem aufgeheizten Moment griff der zweite Beamte – das spätere Opfer – ein. Bei der Rangelei riss er dem vom Schlagstock getroffenen Mann versehentlich die Brille vom Kopf. Als sich alle bückten, um nach dem Gestell zu sehen, holte der brillenlose Wohnungsbesitzer zum Faustschlag aus.
Abgrund hinter der Dorf-Idylle: Ehepaar soll Arbeiter wie Sklaven gehalten haben
Grafenau im Kreis Böblingen
Abgrund hinter der Dorf-Idylle: Ehepaar soll Arbeiter wie Sklaven gehalten haben
Grafenau
Die blutende Nase des Polizisten gab Anlass zum Innehalten. Am Ende durften die Beamten die Wohnung durchsuchen. Der verdächtige Autofahrer des blauen Audis wurde im Esszimmer gestellt. Er bekam später ein eigenes Strafverfahren vor dem Haller Amtsgericht.
Der Heilbronner Staatsanwalt Martin Röder beantragt unter anderem wegen „gemeinschaftlichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ zehn Monate Haft mit Bewährung für den 37-jährigen Angeklagten, für die Frau sechs Monate mit Bewährung.
Dazu hohe Geldauflagen: 3000 Euro für den Mann, 1500 Euro für die Frau. Die Verteidiger Michael Donath (Schwäbisch Hall) und Gerhard Rehmann (Gaildorf) sehen dagegen keine oder nur geringe Schuld bei den Angeklagten. Die Anwälte werben um Verständnis dafür, dass das Paar auf einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss bestanden hat.
Richter Sven Güttner sieht hier eine „gewisse Sondersituation“. Er verurteilt den Industriemechaniker zu einer fünfmonatigen Gefängnisstrafe mit Bewährung. Als Auflage soll der Mann 500 Euro an einen Tierschutzverein bezahlen. Seine Lebensgefährtin bekommt eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 25 Euro, also 2000 Euro. Der Richter stellt klar, dass ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss auch fernmündlich erlassen werden kann. Güttner: „Der Bürger hat es zu dulden.“