Richtig problematisch wird’s, wenn die Angehörigen eines infolge einer Corona-Infektion verstorbenen Menschen selbst unter Quarantäne stehen, von der Familie und Freunden isoliert sind und nicht Abschied nehmen können. Man müsse die Trauernden dann aus der Ferne betreuen, in intensiven Telefonaten, berichtet Martin Frey. Auch beim Interview, das der Gaildorfer Bestattungsunternehmer mit unserer Zeitung führt, gibt’s keinen direkten Kontakt. Das Gespräch wird telefonisch geführt.
Eine Pandemie hat die Menschheit im Griff. Wie erlebt man diese Ausnahmesituation als Bestatter?
Martin Frey: Als wir zu unserem ersten Corona-Toten ins Diak nach Schwäbisch Hall gerufen wurden, waren wir sehr verunsichert. Wir hatten ja keine Erfahrungswerte und mussten erst überlegen, welche Vorgehensweise am klügsten und sichersten ist. Wir haben das Sterbezimmer dann unter Vollschutz betreten: Einmaloverall, Mund- und Augenschutz, Schuh-Überzieher, dreifach übereinandergezogene Handschuhe, sodass man gefahrlos wechseln kann.
Gibt es Vorgaben, wie in solchen Fällen verfahren werden muss?
Wir halten uns an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, mit denen das Infektionsrisiko so weit wie möglich minimiert werden kann. Die Verstorbenen werden in ein Leintuch gebettet, das mit Desinfektionsmittel getränkt ist, kommen dann in eine sogenannte Bergungshülle und werden zuletzt in den Sarg gelegt.
Das heißt, es wird viel Material benötigt?
Zumindest am Anfang wussten wir nicht, ob wir das durchhalten können. Vier bis fünf Schutzanzüge und Bergungshüllen haben wir für den Fall, dass Unfall- oder Verbrechensopfer geborgen werden müssen, immer vorrätig. Wir hatten dann aber binnen einer Woche fünf weitere Corona-Fälle. Wenn man zu zweit arbeitet, kommt man mit dieser Ausrüstung nicht weit. Die Situation war dramatisch. Wir überlegten, was zu tun ist, wenn’s nicht reicht. Die Gesundheit der Mitarbeiter stand dabei an erster Stelle.
Die Situation hat sich aber offenbar beruhigt. Ihr Bestattungsunternehmen arbeitet nach wie vor.
Wir fanden Unterstützung. Über die Corona-Hotline des Schwäbisch Haller Landratsamtes wurden wir an das Deutsche Rote Kreuz vermittelt, das uns dann Einwegoveralls und Masken verschaffte. Der Schwiegervater einer Mitarbeiterin konnte über seinen Arbeitgeber, die Firma Merz, ebenfalls Material besorgen. Vieles konnten wir auch selbst organisieren. Der Bundesverband Deutscher Bestatter, bei dem wir als Notfallbestatter registriert sind, hätte uns ebenfalls unter die Arme gegriffen, diese Hilfe haben wir dann aber doch nicht benötigt, zumal die Zahl der Corona-Fälle dann auch wieder zurückgegangen ist. Bisher waren es insgesamt zehn, plus drei Verdachtsfälle.
Wir reden hier gerade ziemlich technisch über ein Thema, das viele Menschen schwer und oft auch unerwartet trifft. Wie geht man in diesen Zeiten mit Trauernden um?
Das Wesentliche bleibt: Empathie, Verständnis, Hilfsbereitschaft. Bei Menschen, die infolge einer Corona-Infektion sterben, ist es sehr problematisch, dass die Hinterbliebenen sich oft nicht verabschieden können, weil sie selbst unter Quarantäne stehen. Die Bestattungsformalitäten müssen dann telefonisch geregelt werden, aber das ist kein Problem und dann kommt man auch oft in ein Gespräch. Die nötigen Unterschriften kann man auch später noch leisten.
Auch große Trauerfeiern sind derzeit nicht möglich. Wie gehen die Menschen damit um?
Zugelassen sind fünf Außenstehende und die direkten Familienangehörigen. Viele tun sich schwer damit, einige zögern die Urnenbestattung in der Hoffnung, dass sich die Zeiten wieder ändern, auch hinaus. Andererseits habe ich einige dieser Trauerfeiern im kleinen Rahmen als sehr innig, intensiv und schön empfunden und das bestätigen auch die Trauernden. Vielleicht bleibt das ja übrig von der Krise: die Besinnung auf das Wesentliche, die Nähe, die Intimität der Trauer.
Und wie geht es der Bestatterbranche insgesamt in dieser Situation? In der öffentlichen Debatte scheint das ja kaum ein Thema zu sein.
Es liegt wohl in der Natur unseres Berufes, dass wir nicht oder nur ungern wahrgenommen werden. Die Material- und Nachschubprobleme, die wir eingangs angesprochen haben, waren kein Thema, weder öffentlich noch in den zuständigen Gremien. Dass die Bestatter wenigstens in einigen Bundesländern mittlerweile als systemrelevant anerkannt sind, ist nur unserem Verband zu verdanken, der rechtzeitig auf die Barrikaden ging. Sonst hätten die Bestatter in Baden-Württemberg keinen Anspruch auf Schutzkleidung oder auf Notfallbetreuung für ihre Kinder.
Das scheint Sie zu fuchsen?
Nicht nur mich. Dass wir erst auf uns aufmerksam machen mussten, um als systemrelevant anerkannt zu werden, hat viele Kolleginnen und Kollegen geärgert. Und eine bundeseinheitliche Regelung lässt ja nach wie vor auf sich warten. Man nimmt uns ja nach wie vor nicht richtig wahr. In öffentlichen Verlautbarungen dankt man den systemrelevanten Ärzten und Pflegekräften, der Polizei, der Müllabfuhr, der Kassiererin im Supermarkt. Und am Schluss heißt’s dann, die Bestatter sind auch systemrelevant. Das finde ich ärgerlich.
Von der Tischlerei zum Bestattungsunternehmen
Geschichte Eine Bau- und Möbeltischlerei Frey gab es bereits seit 1890 in Gaildorf. Auch der Sargbau, das Einsargen und die Überführung Verstorbener gehörte zu ihren Aufgaben. Anfang der 1960er-Jahre wurde dieser Zweig dann ausgebaut: August Frey jr., bekannt unter dem Namen „Gustl“, schaffte den ersten Leichenanhänger an. Martin Frey (55) hat das Geschäft 1984 von seinen Eltern übernommen und führt es nun unter seinem eigenen Namen.
Unternehmen 2001 wird der Hauptsitz nach Unterrot verlegt, 2015 eröffnet Frey eine Zweigstelle in Obersontheim, seit 2017 ist das Unternehmen auch in Gschwend präsent. Frey hat zwei feste Mitarbeiterinnen: Sabrina Tischler ist 2010 in das Unternehmen eingetreten, 2019 hat sie die Ausbildung zur Bestattermeisterin abgeschlossen, als „eine von wenigen im weiten Umkreis“, wie Frey betont. Carolin Schenke wurde im Unternehmen zur Bestattungsfachkraft ausgebildet und ist seit diesem Jahr fest angestellt. Frey sitzt für die SPD/Aktiven Bürger im Gaildorfer Gemeinderat.
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