In Steinbächle ist die Energiewende vollzogen, möchte man meinen. Jedenfalls gibt es in dem Teilort von Ilshofen kaum ein freies Dach ohne Fotovoltaikanlage mehr. Jetzt ist noch eine große Freiflächen-Anlage dazugekommen.
Auf etwa einem Hektar Gelände thront sie, und zwar dort, wo früher ein riesiges Loch im Boden war. Das war erst ein Steinbruch, der dann als Erddeponie diente. Nun ist das Gelände vollends aufgeschüttet und nach allen Regeln der Kunst verkabelt und ans Stromnetz angeschlossen worden. Lange Reihen von Fotovoltaikmodulen produzieren nun Strom aus erneuerbarer Energie.
Familie Kern investiert
Investor der Anlage ist Familie Kern aus Steinbächle, die den Steinbruch und die danach folgende Erddeponie betrieb. Sie hatte für Samstag zu einem großen Einweihungsfest eingeladen, das sich schnell zu einem Dorffest mauserte.
Denn nicht nur Familie Kern produziert in Steinbächle Strom. Das tun viele andere auch: Zu den 750 Kilowatt der neuen Anlage kommen 880 Kilowatt der Steinbächler Dächer dazu.
„Ich freue mich, wenn’s mal vorangeht mit der Energiewende“, sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Jutta Niemann aus Schwäbisch Hall, die zur Feier gekommen war. „Wenn wir die Klimakrise eindämmen wollen, müssen wir massiv umsteuern.“ Raus aus den fossilen Brennstoffen sei das Gebot der Stunde, sagte sie. Investoren wie die Steinbächler seien da Vorreiter.
Dabei würden natürlich die Fotovoltaikanlagen den steigenden Strombedarf nicht alleine stillen können – zumal dann nicht, wenn immer mehr Autos elektrisch fahren.
Dennoch seien Freiflächen-Anlagen ein wichtiger Baustein im Mix der regenerativen Energien. Sie verstehe nicht, warum sich viele Gemeinden gegen sie stemmten, zumal die Anlagen oft auch für mehr Artendiversität stehen, meinte die Abgeordnete. Das Argument der Freiflächen-Gegner: der Verbrauch von landwirtschaftlicher Nutzfläche. „Natürlich muss man auf landwirtschaftliche Flächen aufpassen“, sagte Niemann dazu. „Aber bis jetzt stehen PV-Anlagen nur auf 1,6 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Das ist für eine saubere Art der Energiegewinnung vertretbar, finde ich.“
Auf einem ehemaligen Steinbruch sei der Standort aber unstrittig, sagte der Ilshofener Bürgermeister Martin Blessing, der sich ebenfalls über die Anlage freute, die gut zum Klimaschutzkonzept der Stadt passe. „Wenn wir unsere Lebensgrundlage erhalten wollen, geht kein Weg an alternativen Energien vorbei“, sagte er auch mit Blick auf die vielen Windkraftanlagen auf dem Ilshofener Gemeindegebiet. Bene Müller von der Firma Solarkomplex, Energiewende-Pionier vom Bodensee und Bekannter der Investorenfamilie, betonte die Notwendigkeit der Energiewende: Deutschland gewinne 45 Prozent seines Stroms aus regenerativen Energien. Baden-Württemberg allerdings nur 25 Prozent.
Noch ein weiter Weg
„Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns.“ Doch immerhin könne die neue Fotovoltaikanlage in Steinbächle nun den privaten Strombedarf von 800 Menschen decken. „Ich habe die Hoffnung, dass sich Menschen gegenseitig mit der Lust auf solche Anlagen anstecken.“
Der Brecher und die Bechers
Der Steinbruch in Steinbächle wurde 1924 in Betrieb genommen, 1989 wurde das Gelände zur Erddeponie. Nun produziert dort eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage Strom. Ein paar der alten Steinbruch-Gebäude stehen noch. Eines von ihnen fand sogar Eingang in die Kunst: Das Fotografen-Ehepaar Bernd und Hilla Becher, das mit seinen Industriebildern berühmt geworden ist, muss in den 1990er-Jahren vor Ort gewesen sein, berichtete Florian Kern bei der Eröffnungsfeier. Denn der Steinbächler Steinbruchunternehmer taucht in einer der Fotoserien auf. Dieses Foto war der Zufallsfund einer Internet-Recherche, sagte Kern: „Dass Bernd und Hilla Becher hier waren, davon haben wir auch nichts bemerkt.“ uts