Am Friedhof vorbei, raus aus dem Ort, den Berg hinauf, in den Wald, in die Stille. Links neben der schmalen Straße öffnet sich der Wald, gerade so weit, dass ein Grüppchen großer und kleiner Menschen hineintreten kann. Im Inneren, zwischen den Bäumen, stehen Holzstümpfe im Kreis. Darauf setzen sich Mama oder Papa, Kinder und Gruppenleiterin Heike Barthelmeß.
Jedes Kind wird mit einem kleinen Liedvers begrüßt. „Hallo Lea, schön, dass du da bist, wir wollen dich begrüßen, mit Händen und mit Füßen.“ Klatsch klatsch, trapp, trapp. „Wie geht es euch, wie war eure Woche?“, fragt Heike Barthelmeß. Die Mamas und ein Papa erzählen ein bisschen, was sie letzte Woche gemacht haben. Es war eine anstrengende Zeit oder schön, weil es einen Ausflug gab. Ein bisschen was hat jeder zu erzählen.
Sechs Kinder sind an diesem Morgen in der Waldspielgruppe. Es ist erstaunlich still. Die Kleinen sind noch ein bisschen schüchtern – oder müde.
Die Umwelt wahrnehmen
„Ist es heute hell oder dunkel?“, fragt Barthelmeß. Dunkel, findet Finn. Hell, findet Lea. „Ist es heute feucht oder trocken?“ Die Kinder fassen an den Boden und die Bäume. Trocken, sind sich alle einig. „Ist es laut oder leise?“ Hände gehen vor die Augen, eine Weile ist es ganz still. Vogelgezwitscher wird laut. Und die Kinderstimmen vom Waldkindergarten gegenüber.
Vergangene Woche hat die Gruppe Laub gesammelt und einen kleinen „Ameisenhaufen“ gebaut. Diesen Dienstag wollen sie schauen, was die kleinen Waldbewohner eigentlich essen. Heike Barthelmeß lässt die Kinder gelbe Plastikeier aus einer Tasche ziehen. Darin sind ein Stück Marmeladenbrot, Mohn, Himbeeren, Wurst, Mais. Das legen die Kinder auf den Waldboden. Als alle Kinder ihr Ameisenessen abgelegt haben, kommen schon die Ersten angekrabbelt. Eine Weile beobachten die Kinder die schwarze Straße, die in Richtung Marmeladenbrot wabert.
Heike Barthelmeß, Heilpädagogin mit Montessori-Diplom, hat eine rote Wollfadenspur auf dem Boden gelegt. Kinder und Erwachsene gehen ihr nach. Am Ende krabbeln sie unter einem Fadenzickzack durch. Zwei Mütter unterhalten sich. Man lernt sich kennen. Um an der Waldspielgruppe teilzunehmen, kauft man, nach einmaligem Schnuppern, eine Zehnerkarte. In der Gruppe ist dadurch immer Bewegung. Die einen gehen hin, weil sie mal ausprobieren wollen, ob der Waldkindergarten etwas für sie ist. Andere nutzen einfach das Angebot, um eine kleine, feine, stille Zeit mit ihrem Kind zu verbringen. „Ich habe eine Weile freigenommen und nutze diese Zeit mit meiner Tochter“, sagt Manuel Rösinger. Die dreijährige Lotte ist noch sehr schüchtern. Durch die Gruppe kommt sie in Kontakt mit anderen Kindern. Erst sagt sie kein Wort und sucht immer wieder Papas Nähe. Nach gut einer Stunde im Wald ist sie mutiger und fragt dann: „Wann gehen wir wieder in den Wald?“
Auch die Eltern lernen etwas in der kurzen Zeit abseits der Zivilisation. „Ich wusste wenig über Schnecken“, sagt Melanie Schnepf. Jetzt weiß die Michelbacher Mama, dass sie mal zwei und mal vier Fühler haben. Mit ihrer Tochter Lea und den anderen Waldkindern und -eltern hat sie sie zuletzt gesucht. Manuel Rösinger hat dabei gelernt, dass ein Schneckenhaus mitwächst.
„Mit wenig Dingen umgeben sein und dann sehen, wie viel hier ist, und hinschauen“, nennt Heike Barthelmeß den Gedanken des Im-Wald-Seins.
Und wenn die Eltern dann mit der ganzen Familie am Sonntag in den Wald gehen, dann nehmen sie die Impulse mit, suchen auch Schnecken, zählen die Fühler, horchen auf Grashüpfer und passen beim Picknick auf ihr Marmeladenbrot auf.
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