Lange Warteschlangen kannte man bisher vor allem aus Krisengebieten, der früheren DDR oder den Schaltern bei der Bahn. Mit Corona gehören Warteschlangen nun zum alltäglichen Bild, ob beim Bäcker, bei der Apotheke oder gestern beim Blutspenden in Vellberg.
Vorbildlich stehen die Spendewilligen am frühen Nachmittag in rund 1,5 bis 2 Meter Abstand und harren in der milden Frühlingsluft vor der Stadthalle in Talheim aus, bis sie drankommen. Frank Hesse (39) steht als Erster in der Reihe. Er wohne gleich um die Ecke, sagt der Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn. „Wenn man als Erster da ist, ist die Gefahr des Infizierens gering“, ist seine Überlegung. Seit 20 Jahren spendet er regelmäßig. „Das ist mein Dienst an der Gemeinschaft.“
BLuePunkt 14.30 Uhr geht es los. Zu diesem Zeitpunkt werden in der Blutspendezentrale in Ulm die Rechner freigeschaltet. Bis Punkt 19.30 Uhr können die 14 Helfer der DRK-Bereitschaft Vellberg-Bühlertal und die Mitarbeiter des DRK-Blutspendedienstes arbeiten. Dann werden die Rechner wieder geschlossen.

Blutspenden in Vellberg: Spendenwillige mit 37,5 Grad und mehr müssen wieder nach Hause

Los geht’s. Doch nicht mit Schmackes, sondern mit Geduld. An der Türe steht Karsten Grimmer. Er hält ein Fiebermessgerät in der Hand. „Fühlen Sie sich gesund?“ Hesse nickt. Grimmer hält das Infrarot-Thermometer mit etwas Abstand an die Stirn – alles okay. Spendewillige, deren Temperatur 37,5 Grad und mehr beträgt, werden gleich wieder nach Hause geschickt. Hesse darf die Halle betreten.
Eine halbe Stunde später: Hesse hat inzwischen die Anmeldung, die Blutuntersuchung, eine weitere Temperaturmessung sowie die ärztliche Untersuchung hinter sich. Und er hat sich mehrfach die Hände desinfiziert. „Zwischen jeder Station haben wir Desinfektionsmittel­spender aufgestellt“, macht Ale­xander Breiter aufmerksam. Der 47-Jährige leitet die DRK-Bereitschaft und hat mit seinem Team die Blutspendeaktion vorbereitet. „Viele große Sportstätten haben die Blutspendeaktionen abgesagt“, berichtet er. Deshalb fehlten Blutspenden. Breiter ist froh, dass am Vortag bei der Blutspendeaktion in Schwäbisch Hall-Hagenbach viele Spendewillige kamen: 353 Blutspender, davon 92 Erstspender. „Dieser Wert liegt deutlich über dem Durchschnitt“, stellt Henning Rösner von der Öffentlichkeitsarbeit der DRK-Bereitschaft fest. Breitner ist angesichts dieser außergewöhnlich hohen Bereitschaft, Blut zu spenden, gespannt, wie es in Vellberg am Ende des Tages aussehen wird.
Frank Hesse liegt nun, etwa 25 Minuten nachdem er die Stadthalle betreten hat, auf der Liege. Neben ihm sitzt Elisabeth Linke. „Ihr Name ist Hesse, Frank?“ – „Ja.“ – „Haben Sie alle Spenden gut vertragen?“ – „Ja.“ Mit geübten Händen legt die Arzthelferin den Gurt um den Arm und schiebt die Nadel in die Vene. Hesse wirkt entspannt. Konstant schließt er immer wieder seine Hand zur Faust, während sein Blut in einen Plastikbeutel fließt. „Das Blut wird bei 20 bis 24 Grad gelagert, damit die Thrombozyten erhalten bleiben“, informiert Linke. Der Beutel liegt auf einer Schale, die immer wieder automatisch gekippt wird. „Im Blutbeutel sind Gerinnungshemmer. Durch das Kippen werden dieser Stoff und das Blut gut durchmischt. So bleibt das Blut geschmeidig.“
Hesse ist ein erfahrener Spender. Als Student ging er zwei Mal wöchentlich zum Blutplasmaspenden. Damals, um seine Finanzen aufzupolstern. 30 Euro gab’s dafür und zusätzlich reduzierten sich die Symptome seines Heuschnupfens. „Viele fühlen sich nach dem Blutspenden gut“, weiß Elisabeth Linke, „das ist wie ein Aderlass.“

Erfahrene Spender und Erstspender kommen in der Turnhalle Talheim zusammen

„So“, sagt Elisabeth Linke, „Sie können aufhören zu pumpen.“ Sie zieht die Nadel, drückt einen Pad auf die Einstichstelle und versieht den Blutbeutel mit einem Aufkleber, auf dem die Daten von Frank Hesse notiert sind. Eine halbe Stunde hat die ganze Aktion für Hesse gedauert. Er setzt sich auf, besinnt sich kurz und geht zu den Tischen, an denen das Vesper serviert wird: Saitenwürste, gerauchte Würste und Weckle.
Ein Stockwerk über ihm füllt derweilen Gerhard Mayer an einem langen Tisch ein Formular aus. Der 55-Jährige ist Erstspender. Obwohl er nur zwei, drei Meter nach Hesse vor der Turnhalle stand, dauert es bei ihm, bis ihm die Nadel gesetzt wird. Die Formalitäten brauchen Zeit. Mayer kennt die Halle gut, er arbeitet als Hausmeister bei der Stadtverwaltung Vellberg. Am Vortag hat er auf den Spielplätzen Verbotsschilder aufgestellt. „Die gehen zu flapsig damit um“, beklagt er, dass die junge Generation den Ernst der Sache nicht wahrnehme. Deshalb ist aus seiner Sicht eine Ausgangssperre notwendig. Dass er als Erstspender dabei ist, habe mit Corona nichts zu tun. Felix Kochendörfer, der im Herbst für 175-maliges Spenden geehrt wurde, hatte ihn motiviert.
Karsten Grimmer, stellvertretender Bereitschaftsleiter, schätzt, dass durch die höheren Sicherheitsvorkehrungen das doppelte an Zeit nötig ist als sonst. Um 18 Uhr berichtet er mit Bedauern in der Stimme, dass bis zu diesem Zeitpunkt „erst hundert“ Blutspender die Halle betreten konnten – die Formalien bremsen die Spendewilligen aus. Dennoch sind die DRK-Leute froh. Henning Rösner betont: „Gerade in der aktuellen Lage ist jetzt jede einzelne Blutspende wichtig.“

Dr. Tamara Tezlew gibt Tipps

Die 73 Jahre sieht man der Arbeitsmedizinerin Dr. Tamara Tezlew nicht an. Mit ihren blonden Strähnen in dem rotbraunen Schopf könnte sie glatt als Mittsechzigerin durchgehen. Bei der Blutspendeaktion des DRK in Vellberg ist sie für die medizinische Untersuchung der Blutspender zuständig. „Wir befragen die Spender, ob sie im Ausland waren, eine OP hatten und welche Medikamente sie einnehmen. Wenn nötig, hören wir das Herz ab und messen den Blutdruck. Manche müssen wir dann heimschicken“, berichtet sie. „Wer in den kommenden Tagen krank wird, wird aufgefordert, sich beim DRK zu melden“, informiert sie. Dann werde im Nachhinein die Blutkonserve herausgesucht, getestet und eventuell vernichtet.
Das abgetrennte Zelt, in dem die Allgemeinärztin arbeitet, ist klein. Der Abstand zwischen dem untersuchten Patienten und ihr gering. Wie sorgt sie dafür, dass es zu keinem Infekt kommt? Wer bis zu ihrer Station kommt, hat bereits mehrere Etappen hinter sich, hat zwei Temperaturmessungen, diverse Befragungen und den Bluttest gemacht. Eine hohe Ansteckungsgefahr sei also nicht mehr gegeben, berichtet sie. Dennoch hat sie Vorkehrungen getroffen, um einer möglichen Corona-Infektion vorzubeugen. „Das empfehle ich allen Menschen in meinem Alter.“
Sie hat sich eine dreiprozentige Wasserstoffperoxidlösung in der Apotheke besorgt. Fünfmal am Tag gibt sie davon 15 Tropfen in ein Glas Wasser, das zuvor abgekocht wurde und abgekühlt ist. „Diese Lösung spritze ich durch die Nase“, sagt sie, und spuckt sie dann entweder aus oder schluckt sie hinunter. Alternativ könnte man die Lösung auch in eine Schale geben und mit der Nase hochziehen. Sinnvoll sei es auch, den Rachen mit der Lösung zu spülen, zu gurgeln. Das Wasserstoffperoxid töte die Viren ab.  sel