Nicht so viele Besucher wie bei Gerhard Nefzer, weitgehend Stammgäste,“ stellt Siegfried Kienle fest. Der Haller Architekt und seine Frau sind stets bei den Braunsbacher Wintergesprächen dabei, so auch am Freitag. „Abschalten, auf andere Gedanken kommen“, ist für ihn der Grund, dabei zu sein. Gast an diesem Abend ist Bernd Riexinger, Parteivorsitzender der Partei Die Linke, für die er auch im Bundestag sitzt. Immer wieder bekommt Riexinger  Applaus, wenn er humorvoll und mit klaren Ansagen seine Positionen untermauert. Moderator Marcel Miara führt so geschickt durch das Gespräch, dass die Gäste leicht nachvollziehen können, warum Riexinger so geworden ist, wie er ist.
Bernd Riexinger stellt sich dem Gespräch

Bildergalerie Bernd Riexinger stellt sich dem Gespräch

Im Elternhaus und in der Schule  wurde Riexinger früh politisiert, sein Vater war Betriebsrat, die langhaarigen Referendare an der Schule brachten neuen Wind ins Dorf. Prägend war, dass er gegen seinen Arbeitgeber, die Bausparkasse Leonberg, klagte. Der Grund: Der Jugendvertreter wurde nach der Ausbildung nicht übernommen. „Ich war ein rebellischer Typ“, sagt er. „Das war der erste Prozess in Baden-Württemberg in der Sache und ich gewann. Und nachher musste mich das Unternehmen noch zehn Jahre als Betriebsrat ertragen.“
Riexinger ist von seiner Arbeit als Gewerkschafter geprägt. Von 2001 bis 2012 führte er als Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Stuttgart die Tarifauseinandersetzungen für Beschäftigte etwa in Kliniken oder im Handel.  Seine Erkenntnis daraus: „Es braucht Leute in der Politik, die im Leben stehen und die Interessen und das Leben der kleinen Leute kennen.“ Ebenso prägend: „Ich war immer gewohnt als Gewerkschaftler: Du musst Kompromisse machen.“
Kampf zwischen Wagenknecht und Parteispitze
Linke
Kampf zwischen Wagenknecht und Parteispitze
Berlin

Riexinger sieht sich links von der SPD

„Für mich war die SPD immer zu konservativ, zu rechts. Aber sie stand für Verbesserungen“, beschreibt der 63-Jährige seine politischen Standort. „Ich war nie verbandelt mit der DKP. Es war unvorstellbar, dass ich in die PDS ging. Die war zu sehr belastet durch den Mauerbau.“
Zäsur für ihn war die Agenda 2010, die zwischen 2003 und 2005 von der Rot-Grünen Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder entwickelt wurde. „Die Agenda war ein Angriff. Es gab 4,5 Millionen Arbeitslose, der Mindestlohn wurde durch Hartz IV definiert und es herrschte Angst bei den Leuten.“ Gedrückt davon hätten etliche gesagt: „Ich lass’ mir lieber die Überstunden nicht auszahlen, bevor ich arbeitslos werde und in Hartz IV komme.“  Die SPD habe seitdem ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagt Riexinger und verweist darauf, dass die Grünen, die damals mit an der Regierung waren, ungeschoren davon gekommen seien.
Inzwischen werde, wie Riexinger sagt, Dank der Linken „wieder über soziale Gerechtigkeit geredet – auch in anderen Parteien“.  Dass aktuell der Pflegenotstand von der Bundesregierung angegangen werde, sei das Verdienst seiner Partei. „Vor drei Jahren haben wir als erste die Kampagne gegen den Pflegenotstand gemacht; dann sprangen andere Parteien auf.“ Riexinger postuliert: „Es geht, wenn verschiedene Akteure gemeinsam Druck ausüben. Es ist der größte Irrtum, zu glauben, dass man nichts bewegen kann. Natürlich kann man was verändern. Politiker sind druckempfindlich. Wenn das Gefühl entsteht, dass die Bevölkerung nicht ruhig gehalten werden kann, dann tut sich was. Da können wir etwas Entwicklungshilfe leisten.“
2012 wurde Riexinger zusammen mit Katja Kipping zum Parteivorsitzenden der Partei Die Linke gewählt. Dem verhandlungserfahrenen Gewerkschaftler wurde zugetraut, die zerstrittenen Parteiflügel zu versöhnen. Und er sollte im Westen für die Linke den Boden bereiten, „als Pendant zu den Ostvertretern“ – die ja im Westen mit dem Ruch behaftet sind, Nachfolger der früheren SED zu sein. Riexinger sagt: „Die haben sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Die PDS hat erkannt: Es kann keinen Sozialismus geben ohne Demokratie.“
Auch Oscar kommt nach Döttingen
Braunsbach
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Mehr Mitbestimmung

Und wie sieht der Sozialismus aus, will Miara wissen: „Du sollst von deiner Arbeit leben können, einen Rentenanspruch ansparen können und Arbeit und Leben in Übereinstimmung bringen können.“ Deshalb sei er gegen Mini- und Midijobs, gegen befristete Beschäftigungen, nennt Riexinger seine Forderungen. Etliche Branchen wie beispielsweise „Pflege, Bildung, Verkehr“ dürfe nicht dem profitorientierten Markt überlassen werden.   Ein Unternehmen solle auch nicht über den Kopf der Arbeiter hinweg seinen Standort verlegen können. Riexinger meint, die Politik müsse eine zügellos agierende Wirtschaft einschränken. Er verweist auf die Finanzkrise: „Was haben sie gemacht? Marktwirtschaftlich wäre gewesen, die Banken bankrott gehen zu lassen. Das hat uns in Deutschland 400 Milliarden gekostet. Wann verstaatlichen wir eine Bank, wenn sie nicht bankrott ist?“ fragt er.

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