Warum ist Wohneigentum so wichtig?
Reinhard Klein Einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands der privaten Bausparkassen zufolge würden mehr als zwei Drittel der 20- bis 49-Jährigen am liebsten im Eigenheim wohnen und jeder Vierte davon plant, in nächster Zeit Wohneigentum zur Selbstnutzung zu erwerben. Zugleich ist die Wohnzufriedenheit von Wohneigentümern deutlich stärker ausgeprägt als bei Mietern. Wohneigentum leistet einen entscheidenden Beitrag zur Altersvorsorge und Vermögensbildung. Selbstgenutztes Wohneigentum kann zudem wesentlich dazu beitragen, den Mangel an Wohnraum in Deutschland zu beseitigen.
Der Wohnungsbau steckt derzeit in einer tiefen Krise. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Haupthemmnisse?
Reinhard Klein Gestiegene Zinsen, horrende Baukosten, die anhaltende Inflation sowie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung schaffen Unsicherheit. Zugleich lähmen bürokratische Hürden den Wohnungsbau. Privatpersonen und Immobilienkonzerne ziehen sich zunehmend aus dem Neubau zurück. Investoren erzielen nicht mehr die erforderlichen Renditen, Häuslebauer können sich mit derselben monatlichen Rate nur noch rund zwei Drittel dessen leisten, was im Januar 2022 noch möglich war.
Beim Wohneigentums-Kongress in diesem Mai in Stuttgart haben Sie einen „Kraftakt der künftigen Erwerber, der Finanzindustrie und der Politik“ gefordert. Könnten Sie näher erläutern, was Sie von den einzelnen Akteuren erwarten?
Reinhard Klein Künftige Erwerber sollten rechtzeitig mit dem Aufbau von Eigenkapital beginnen. Bausparen bietet dafür beste Voraussetzungen. Wir Finanzdienstleister bieten neben passenden Produkten vor allem eine qualifizierte Beratung an, die zunehmend über die eigentliche Finanzierungsberatung hinausgeht. Darüber hinaus muss die Politik Hürden auf dem Weg zum Wohneigentum beiseite räumen: Ein Ansatz ist, die Kaufnebenkosten zu senken, wie es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auch festgeschrieben ist. Dies kann entweder als Grunderwerbsteuer-Freibetrag beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum erfolgen oder als Stufentarif, mit dem kleinere und billigere Immobilien steuerlich entlastet werden könnten. Der Staat muss zudem die Rahmenbedingungen fürs Bauen verbessern, das heißt eine bundesweite Muster-Bauordnung – statt 16 einzelne Landesbauordnungen – einführen und Genehmigungsverfahren erst entschlacken und dann digitalisieren. Außerdem ließen sich durch industrielle Vorfertigung, digitale Prozessoptimierung und serielles Bauen die Produktivität steigern und die Baukosten senken. Nicht zuletzt brauchen wir dringend gute Ideen für mehr Nachwuchs im Handwerk, denn der akute Fachkräftemangel verteuert das Bauen zusätzlich. Und wir brauchen eine verlässliche Wohnungsbauförderung.
Bei der gleichen Veranstaltung hat Gerald Lipka, Geschäftsführer des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Baden-Württemberg, vor sozialen Verwerfungen durch einen wachsenden Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt bei sinkender Neubautätigkeit gewarnt. Fürchten Sie das auch?
Reinhard Klein Die Gefahr liegt auf der Hand. Die Wohnungslücke vergrößert sich durch den rückläufigen Wohnungsneubau und Bevölkerungszuwanderung weiter. Das führt auch zu einem Abbruch von Umzugsketten, weil potenzielle Eigenheiminteressenten weiterhin zur Miete wohnen müssen. Erkennbar ist dies an den zuletzt wieder stark steigenden Mieten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag der Index zur Entwicklung der Wohnungsmieten in der Bundesrepublik im Juli 2023 bei einem Wert von 105,3 Punkten. Dies entspricht einem Anstieg von etwa 5,3 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2020 mit einem Index von 100. Rechnet man die ebenfalls stark gestiegenen Mietnebenkosten für Strom, Wasser und Heizung dazu, stellt sich für immer mehr Haushalte die Frage, wie sie das Wohnen bezahlen sollen.
Markus Böll, Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, hat jüngst beim Tag der Bauwirtschaft in Künzelsau realistische Baustandards gefordert. So bringe der jetzt geforderte Energiestandard EH40 gegenüber E55 nur einen minimalen Effizienzgewinn, treibe aber die Kosten überdurchschnittlich in die Höhe. Stimmen Sie Herrn Böll zu?
Reinhard Klein Wir müssen definitiv darüber nachdenken, ob weitere Standardverschärfungen für Neubauten den gewünschten Effekt bringen. Der stärkere Hebel liegt ohnehin im Wohnungsbestand. Bis 2030 muss rechnerisch jede zweite Immobilie CO2-neutral sein. Dabei ist der Immobilienbestand ein wesentlicher Verursacher der Klimakrise mit einem Anteil von etwa 30 Prozent an den Treibhausgas-Emissionen. Davon entfallen etwa drei Viertel auf den Wohngebäudebestand. Ein Drittel des Wohnungsbestandes gilt an energetisch unsaniert, 30 Prozent der Wohngebäude fallen in die schlechtesten Energieeffizienzklassen G und H. Um die Reduktionsziele bis 2030 noch zu erreichen, muss der Wohnungsbestand schneller und effizienter energetisch saniert werden. Wir brauchen praktisch eine Verdoppelung, besser Verdreifachung der Sanierungsrate von 1,1 Prozent. Vor allem muss die Wärmeversorgung auf emissionsneutrale Lösungen umgestellt werden.
Was macht Sie trotz allem optimistisch, dass die Wohnungsbaukrise bald überwunden wird?
Reinhard Klein Wir brauchen einen langen Atem. Wichtig ist, dass alle Akteure ihren Beitrag leisten: Politik, Bauwirtschaft, Finanzinstitute und nicht zuletzt die Verbraucher. Hierzu kann das von der Bundesregierung initiierte verbandsübergreifende Bündnis für bezahlbaren Wohnraum einen Beitrag leisten. Die nächste Sitzung findet Ende September statt. Dann brauchen wir konkrete Ergebnisse, wie der Wohnungsbau wieder in Schwung gebracht werden kann. Denn die Nachfrage ist da.