Könnt ihr euch an eure erste „Fridays for Future“-Klimademo in Hall erinnern?
Rebekka Benz: Das war im Januar. Eine Woche vorher hatten wir an einem Dienstag die spontane Schnapsidee, uns mit ein paar Freunden am Freitag vors Rathaus zu setzen. Wir gründeten eine Whatsapp-Gruppe ...
Hannah Thomas: ... die wuchs bis zum nächsten Morgen auf 250 Mitglieder an. Wir haben uns in jeder Pause abgesprochen und versucht, beim Ordnungsamt mit jemandem in Kontakt zu treten.
Rebekka Benz: Zwei Tage vor dem Freitag wurde die Demo genehmigt. Es sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Es kamen 350 Teilnehmer.
Was hat sich seitdem verändert?
Rebekka Benz: Einiges wurde zur Routine. Wir wissen jetzt genau, wie wir die Demo anmelden. Auch die Lautsprecheranlage steht. Einiges ist aber immer anders: Wer macht Redebeiträge und wie viele gibt es?
Jetzt springen Eltern, Jugendorganisationen der Parteien und Kirchen mit auf. Stört euch das?
Benedict Zott: Uns macht das überhaupt nichts aus, da jeder willkommen ist, der auf eine „Fridays for Future“-Demonstration geht. Das Klima geht alle Menschen etwas an.
Gab es Druck, das Schulschwänzen sein zu lassen?
Rebekka Benz: Das haben wir nicht erlebt. Es gab nur an einer Schule Probleme.
Benedict Zott: Dazu kann ich etwas sagen. Ich komme vom Gymnasium bei St. Michael. Als die erste große Demo war, hingen Zettel aus: Wer da hingeht, riskiert einen Schulverweis. Es wurde versucht, Druck auf die Schüler auszuüben. Der aggressive Ton ist mittlerweile nicht mehr in dieser Form da. Der Großteil der Lehrerschaft ist aufgeschlossen gegenüber „Fridays for Future“.
In Leserbriefen heißt es: Geht lieber in die Schule und lernt was.
Rebekka Benz: Ich hatte am Freitagnachmittag immer Physik. Jetzt habe ich eine Eins in diesem Fach.
Am heutigen Freitag wird nicht gestreikt, sondern ab 13.30 Uhr auf dem Marktplatz demonstriert. Der Konflikt taucht nicht auf.
Hannah Thomas: Wir haben unsere Demos immer abwechselnd innerhalb und außerhalb der Schulzeit gemacht. Diesmal sollen ja besonders viele kommen unter dem Motto „#Allefürsklima“.
Was erwartet die Menschen heute?
Rebekka Benz: Ich hoffe, dass sich die Erwachsenen auch reinmischen und nicht nur nebendranstehen. Nach dem Demozug wird es eine Aktion der Jugendorganisationen von Parteien auf dem Haalplatz geben. Es lohnt sich, bis zum Ende zu bleiben. Da passieren die spannendsten Sachen.
Trotz großer Hitze, Regen und Kälte: Es kamen immer Hunderte zu den fünf Klimaschutzdemos. Wollt ihr im Winter auch weitermachen?
Hannah Thomas: Darüber haben wir im Orga-Team gerade eben diskutiert. Wir denken, dass wir die Demos nicht so häufig ansetzen.
Rebekka Benz: Es geht definitiv weiter, aber eben in anderer Form. Wir wollen jetzt aus Gruppen heraus kleine Projekte starten. Das ist sinnvoller, als jeden Monat eine Demo zu veranstalten. Wir haben die Aufmerksamkeit nun bekommen und die müssen wir nutzen.
In welche Richtung wird sich die „Fridays for Future“-Bewegung orientieren?
Hannah Thomas: In großen Städten ist es einfach, Massen regelmäßig auf die Straße zu bringen. In Hall ist das anders. Es wird „Fridays for Future“ auch noch hier geben. Wir haben ja auch schon viel erreicht, wie die Petition mit 700 Unterschriften für die Ausrufung des Klimanotstands in der Stadt.
Rebekka Benz: Wer sich engagiert, muss sich auch überlegen, ob er in einer Parteijugend oder einer Jugendgruppe einer Umweltorganisation noch mehr für die Umsetzung des Klimaschutzgedankens tun kann.
Habt ihr deutschlandweit schon etwas bewirkt?
Rebekka Benz: Absolut. Alle Parteien reden über den Klimawandel und die Frage, wie man dagegen etwas tun kann. Vorher waren es nur ein paar wenige. Man kann es nicht mehr ignorieren.
Manche Erwachsene stört es, dass die Jugendlichen nicht mehr auf die ältere Generation hören, sondern der 16-jährigen Greta Thunberg nacheifern, die mit dem Schulstreik begonnen hat. Gibt es einen Greta-Kult?
Benedict Zott: Ich würde sagen: Wir rennen Greta nicht hinterher. Sie sagt ja selbst, dass wir nicht das machen sollen, was sie denkt, sondern das, was die Wissenschaft sagt und was erforderlich ist, um den Klimawandel zu stoppen.
Hannah Thomas: Von den Medien wird es so dargestellt, als würden wir Greta anbeten. So ist es aber nicht. Sie war am Anfang für uns eine Inspiration, mehr nicht.
Sie waren ja bei dem zentralen Sommertreffen der „Fridays for Future“-Bewegung in Dortmund dabei. Was haben Sie erlebt?
Benedict Zott: Rebekka und ich waren dabei. Was mich entzückt hat: Es gab Workshops mit Wissenschaftlern und Podiumsdiskussionen. Ich habe mich über Landwirtschaft und Forstwirtschaft informiert, da es in Hall ein großer Faktor ist.
Rebekka Benz: Was ich bei dem Kongress wichtig fand: Die Leute haben ihre Überzeugung gelebt. Für 1500 Menschen vegan zu kochen, ist eine Herausforderung. Es wurde kein Essen weggeworfen und Plastik vermieden. Man konnte so viel für den Kongress bezahlen, wie man wollte.
Ein Vorwurf lautet: Die Klima-Kids demonstrieren, fliegen aber nach Mallorca. Sind Sie in den Urlaub geflogen?
Rebekka Benz: Ich war mit Hannah zusammen mit dem Auto in Frankreich. Aber wir waren zu viert. Das Auto war voll. Zudem war ich mit dem Bus in Spanien.
Benedict Zott: Ich bin leider tatsächlich geflogen – nach Griechenland. Leider war das vorher schon gebucht. Ich habe das aber kompensiert. Ich habe an Greenpeace gespendet, die den Schaden durch den CO2-Ausstoß durch Wiederaufforstung gutmachen. Im Urlaub haben wir darauf geachtet, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Man kann in Hall viel tun: wenig Fleisch essen, das Auto stehen lassen.
Es gibt Menschen, die sagen: Wir können von Deutschland aus so viel Energie sparen, wie wir wollen. Wenn in Brasilien Wälder brennen, werden die Effekte zunichtegemacht.
Benedict Zott: Das sehe ich gar nicht so. Natürlich ist es schlecht, wenn der Regenwald brennt. Aber es ist heuchlerisch, von Deutschland aus Brasilien zu verurteilen. Wenn man den CO2-Ausstoß pro Kopf nimmt, sieht man, dass ein Deutscher viel mehr zum Klimawandel beiträgt als ein Brasilianer. Deutschland ist ein unglaublich reiches Land. Es hat Potenzial für neue Technologien und muss mutig vorangehen.
Rebekka Benz: Man muss sich vor Augen halten, warum der Regenwald brennt. Er wird bewusst abgeholzt, um etwas anzubauen. Futtermittel werden für Tiere angepflanzt, die in Europa gegessen werden.
Hat sich im Zuge des Engagements euer Berufswunsch geändert?
Hannah Thomas: Ich bin beruflich noch unentschlossen. Ich werde nicht zur Autoindustrie gehen. Aber ein ökologisches Jahr könnte ich mir vorstellen.
Rebekka Benz: Mich interessiert, was dahintersteckt. Ich könnte mir ein Soziologie-Studium vorstellen, um etwas über die Entwicklung von Bewegungen zu erfahren.
Benedict Zott: Ich habe mich für Geschichte entschieden. Wie konnte man in der Vergangenheit existenzielle Krisen bewältigen? Wenn man Beispiele aus der Vergangenheit findet, bei denen das funktioniert hat, kann man besser gegen den Klimawandel kämpfen.
Wann hört ihr auf, zu kämpfen?
Hannah Thomas: Es müssen sich grundsätzliche Dinge ändern. Es reicht nicht, Plastikstrohhalme zu verbieten und das als Mega-Erfolg zu feiern.
Rebekka Benz: Es wird irgendwann keine „Fridays for Future“-Demos geben. Jede Bewegung endet. Man muss den Impuls nutzen, sich in anderen Gruppen engagieren.
Hannah Thomas: Aber so schnell wird es nicht enden.
Info Die Klimaschutzdemo startet heute um 13.30 Uhr auf dem Haller Marktplatz
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Engagement aus mehreren Schulen in Hall
Hannah Thomas (17) wurde in La Paz geboren (Bolivien). Da ihr Vater aus Ilshofen stammt, zog die Familie nach Deutschland, als sie ein kleines Kind war. Sie geht in die 12. Klasse des Ernährungswissenschaftlichen Gymnasiums an der Sibilla-Egen-Schule. Das Abitur steht 2021 an.
Rebekka Benz (18) kam in Lachweiler zur Welt (Hausgeburt) und wohnt auch noch dort. Sie besucht das Sozialwissenschaftliche Gymnasium der Sibilla-Egen-Schule in Hall und macht 2021 ihr Abitur.
Benedict Zott (17) besucht das Gymnasium bei St. Michael und legt in diesem Schuljahr sein Abitur ab. Er war bei der ersten „Fridays For Future“-Demo dabei, hielt Reden und ist bei der dritten Veranstaltung in Hall ins Organisationsteam gewechselt.