Fünf Jahre, hat sich Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim sagen lassen, habe die Arbeit am Buch „Alte Bauernhäuser in Baden-Württemberg und seinen Freilandmuseen“ gedauert. „Eigentlich“, so Albrecht Bedal, der Autor des 373 Seiten starken Stücks, „habe ich bereits vor 40 Jahren damit begonnen.“ Geistig, wohlgemerkt.
Für den Mann, der 20 Jahre lang das Haller Freilandmuseum führte, außerdem Fachbereichsleiter Kultur der Stadt Hall war, und zuvor das Hochbauamt unter sich hatte, ist die Beschäftigung mit alten Gebäuden Lebensinhalt. Aber die Zeit, um das Buch zu schreiben, hatte er erst in seinem Ruhestand. Der begann 2012.
„Liebe Freunde alter Häuser“, begrüßt er die rund 50 Gäste, die am vergangenen Donnerstagabend ins Wackershofener Museum gekommen sind, um das Erscheinen des Buches zu feiern. Als einziger der fünf Redner spricht er frei und unterhält sein wohlgesonnenes Publikum mit persönlichen Anmerkungen. Zum Beispiel, dass er schon vor langer Zeit, nach seinem Studium als er in Baden-Württemberg angekommen ist, herumfuhr und mit seiner Rollei auf 6x6-Filmen alte, vergessene Häuser fotografierte. „Sie waren sozusagen die Basis für dieses Buch.“ Aber die Basis breitete sich dramatisch aus. Es wurden weitaus mehr als die angenommenen 300 Häuser, die der Bauhistoriker untersuchen sollte. Er setzte sich mit der Gruppe der Freien Bauforscher zusammen und bekam Einblick in deren ­Archive.
Seine „Zielgruppe“ waren Gebäude aus der Zeit vor 1700. Konkret stammt das älteste untersuchte Haus aus dem Jahr 1295, das Jüngste von 1699. In dem 1,6 Kilo schweren Buch sind sie alle drin, untersucht mit modernen wissenschaftlichen Methoden. Mit Dendrochronologie (eine Holzuntersuchung zur Bestimmung des Alters), Konstruktions- und Funktionsuntersuchungen, Putz- und Farbuntersuchungen, Archivforschung und Befragung von Zeitzeugen.
„Einige Laptops habe ich in der Zeit verschlissen“, so der Autor. Und sein Schnauzer sei, „wenn Sie sich erinnern“, vor fünf Jahren auch noch rotblond gewesen. Jetzt ist sein Haar ergraut. Die Arbeit an dem Buch habe wohl dazu beigetragen. Nicht nur er habe viel investiert in das Werk, auch seiner Frau sei er zu Dank verpflichtet. Sie habe ihn begleitet auf seinen Fahrten durch Baden-Württemberg, geschichts- und kulturträchtige Häuser aufzuspüren, anzuschauen und zu fotografieren.
Überraschend ist wohl eines der Ergebnisse dieser Arbeit: Thomas Naumann, pensionierter Leiter des Odenwalder Freilandmuseums, betont es bei seiner ausführlichen Ansprache: „Bedal plädiert seit Längerem und auch in diesem Buch dafür, den Begriff ‚Hauslandschaften‘ endlich fallen zu lassen.“ Man gehe davon aus, dass jede Region seine spezifischen Haustypen habe. Jedoch kämen gleiche Haustypen und Baukonstruktionen in verschiedenen Landschaften in gleicher und ähnlicher Weise vor.
Hohenlohe rühmt sich beispielsweise mit seinen Pfarrer-­Mayer-Häusern. Typisches Merkmal sind der steinerne Stall im Erdgeschoss und die Wohnräume ausschließlich im Obergeschoss. Aber, so weist Bedal nach, gebe es diese Gebäude schon im 13. Jahrhundert. Der Künzelsauer Pfarrer hat im 18. Jahrhundert ­gelebt. Haustypen einer Region zuzuschreiben seien ein sehr willkommenes Alleinstellungsmerkmal, vor allem genutzt von Touristikern und der Immobilienbranche, so Naumann.
In seinem Buch untersucht Bedal nicht nur die schmucken, auffallenden Häuser. Viele zunächst unscheinbaren Gebäude, grau und unschön, sind ihm eine Untersuchung wert. Letztlich geht es um eine ganzheitliche Analyse von Topografie, Klima, Wirtschaftsform, Boden, recht­lichen und sozialen Bedingungen. Und, wie Reinhold Würth im ­Vorwort dankt: „Die Zeit vergeht und könnten wir unseren Nachkommenden nicht über Museen und Schriftgut von ihr berichten, wäre sie für immer verloren.“