Ist eine Gruppe mit Kindern aus suchtkranken Familien sinnvoll? Diese Frage bewege seit Jahrzehnten die Suchtberatung, auch weil die Kinder nicht stigmatisiert, nicht gebrandmarkt werden sollen. „Aber es sind vergessene Kinder“, sagt Sozialpädagogin Claudia Rehmann vom Diakonieverband Schwäbisch Hall im Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Nun sei mit dem Gruppenangebot „Schatzinsel“ ein Anfang gemacht worden. Es starte am 20. April.
Rehmann stellt das Projekt gemeinsam mit dem kommunalen Suchtbeauftragten Herbert Obermann vor. Der Sozialarbeiter nennt wesentliche Faktoren, die entscheidend für das Gelingen seien. Es müssten Eltern gewonnen und Suchterkrankungen aus der Tabuzone herausgeholt werden. Es gebe Adressen von Kindern, die bereits im Hilfesystem verankert sind, wo die Justiz bereits wegen illegalen Suchtmitteln eingegriffen hat. Es gelinge nur schwer, an die suchtkranken Eltern heranzukommen. „Es ist eine Aufgabe von uns allen, dass Eltern sich melden, ihre Kinder für das Angebot anmelden. Die ‚Schatzinsel’ ist ein Beitrag zum Kinderschutz und zur Suchtprävention“, betont Obermann und nennt Zahlen.
Fragen im Ausschuss
Jedes sechste Kind lebt deutschlandweit in einer suchtkranken Familie. Wenn betroffene Kinder nicht unterstützt werden, entwickelt ein Drittel von ihnen selbst eine Suchterkrankung. Und im Landkreis Schwäbisch Hall? Es sei von einer „erheblichen Dunkelziffer“ auszugehen. 80 Kinder (beziehungsweise Eltern) aus suchtbelasteten Familien nähmen bereits Hilfen der Jugend- beziehungsweise Suchthilfe in Anspruch. In der Altersgruppe der acht- bis zwölfjährigen Kinder geht Obermann von einem potenziellen Kreis von 45 Kindern aus.
Polizist Ulrich Ostermann (beratendes Mitglied des Ausschusses) fragt nach Erfahrungen in anderen Landkreisen mit ähnlichen Angeboten und danach, wie es mit Geschwistern von Kindern dieser Altersgruppe gehandhabt wird. Es müsse ein Anfang gemacht werden, diese Altersgruppe könne gut erreicht werden. Das sei auch ein Erfahrungswert beim Blick in andere Landkreise, antwortet Rehmann.
„2,65 Millionen Kinder leben deutschlandweit mit suchtkranken Eltern zusammen. Das ist eine Katastrophe – vor allem für die Kinder“, sagt Siegfried Trittner (Freie). Das Thema Alkohol und der gesellschaftliche Umgang damit müsse ganz anders beleuchtet werden. Das Gruppenangebot sei einen Versuch wert.
„Wie wollen Sie Eltern beziehungsweise Kinder für dieses Angebot gewinnen? Welche weiteren sozialen Träger wollen Sie mit ins Boot holen? Was haben Sie noch vor?“, fragt Daniel Bullinger (FDP) nach. Obermann betont, dass es am Anfang des Projekts wichtig sei, eine Sensibilisierungskampagne für alle Multiplikatoren auf den Weg zu bringen, die Kontakt mit suchtkranken Eltern haben. Beispiel: eine Erzieherin, die ein Gespräch mit einer alkoholkranken Mutter führt.
Kinder in der Altersgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen könnten bereits reflektieren. Die unter Achtjährigen seien noch schlimmer betroffen, weil sie nicht verstehen könnten, was daheim los sei, gibt Rüdiger Schorpp (SPD) zu bedenken. Er regt an, für diese Altersgruppe auch ein Angebot zu schaffen. Es brauche aber diese Reflektionsfähigkeit, antwortet Obermann. Es sei ja auch nicht so, dass es für diese Kinder keine Angebote gebe. Um sie kümmere sich das Jugendamt – vor allem auch im Kontext Kindeswohlgefährdung.
Wenn das Projekt gut angenommen wird, dann sollen landkreisweit ähnliche Gruppenangebote eingerichtet werden. „Der Kreistag muss dann entscheiden, ob er kontinuierlich Geld für ein Regelangebot gibt“, sagt Jugendamtsleiter Hartmut Werny. Wenn weitere Gruppen entstehen, dann müsse das Landratsamt beziehungsweise die Jugendhilfe auch entsprechend finanzieren. Das gehöre zu deren Aufgaben, unterstreicht Kreisrat Schorpp. Der Kreis werde nicht finanziell anschieben, um dann ein erfolgreiches Angebot wieder einzustellen, macht der Erste Landesbeamte Michael Knaus abschließend deutlich.
„Die Schatzinsel“ öffnet zunächst für ein Jahr
Vertreter von Jugendhilfe und Suchthilfe haben das Gruppenangebot „Schatzinsel“ für acht- bis zwölfjährige Kinder entwickelt, die in suchtbelasteten Familien leben. Sie können in der „Schatzinsel“ spielen und mit anderen Kindern Spaß haben. Die Kinder können alles fragen, was sie zum Thema Sucht wissen wollen, und über alles sprechen, ohne dass es jemand anderes erfährt. Fachkräfte aus Jugend- und Suchthilfe betreuen die Gruppe. Kinder sind in der „Schatzinsel“ richtig, wenn jemand aus ihrer Familie ein Problem mit Suchtmitteln oder Suchtverhalten hat. Sie öffnet jeden zweiten Freitag von 15.30 bis 17 Uhr in den Räumen des Kinderschutzbunds in Schwäbisch Hall. Ein Fahrdienst kann kreisweit eingerichtet werden. Friedrich Waller (Freie) fragt nach der Höhe der Anschubfinanzierung. „19 000 Euro für ein Jahr“, antwortet Suchtbeauftragter Herbert Obermann. Das Angebot wird zunächst für ein Jahr eingerichtet. Die Sparkassenstiftung und die Landkreisstiftung fördern die „Schatzinsel“ mit 5000 und 7800 Euro, den Rest der Kosten decken Eigenmittel. cus