Die Worte von Heinz Lenhart gleichen einem Meteoritenschauer. Doch statt Gesteinsbrocken, die vom Himmel fallen, lässt der Planetariumsleiter Fakten auf seine Gäste regnen: auf 20 Leserinnen und Leser des Metzinger-Uracher Volksblatts, der Reutlinger Nachrichten, des Alb Boten, der Hohenzollerischen Zeitung und der Südwest Presse Zollernalbkreis. Die waren am Donnerstagabend zur Kuppel der Reutlinger Sternwarte auf dem Dach der Ferdinand-von-Steinbeis-Schule gepilgert. Und wurden gleich von Lenhart begrüßt.
Organisatorisch ist die Sternwarte an den 1918 gegründeten Verein für Volksbildung angegliedert. Das erste Teleskop wurde dort bereits 1960 montiert, ein gerade mal einwöchiger Umbau folgte 2010. Der Kostenpunkt lag laut Lenhart bei 350 000 Euro.
Die Summe erscheint hoch, doch der Blick durchs Teleskop über den Dächern von Reutlingen am Donnerstag ließ sich nicht in Geld aufwiegen: Denn die Leserinnen und Leser konnten ein echtes Planeten-Rendezvous erleben.
Zwei Planeten in kosmischer Fernbeziehung
Die Planeten Venus und Jupiter waren aufgrund der aktuellen Konstellation besonders gut zu sehen – unsere Nachbarplaneten waren auf vermeintlichem Kuschelkurs: Auf ihrer unterschiedlich schnellen Umlaufbahn um die Sonne sind sie sich dieser Tage am nächsten gekommen und entfernen sich dann wieder voneinander. Beide Planeten sind leicht zu unterscheiden: Die Venus ist deutlich heller als der Jupiter. Das vermeintliche Rendezvous des Gasgiganten Jupiter im Äußeren mit unserer Nachbarin Venus im inneren Sonnensystem ist aber nur ein optischer Eindruck. Die Venus ist derzeit gut 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, der größte Planet Jupiter mehr als 860 Millionen. Die beiden führen also eher eine kosmische Fernbeziehung.
Als kleine, helle Punkte waren die Planeten am Donnerstag beim Blick durchs Reutlinger Teleskop zu sehen. Während sich die Teilnehmer der Mehrwert-Tour dieses Rendezvous anschauten, hagelte es von Heinz Lenhart Fakten: Etwa zum „großen roten Fleck“ – dem gigantischen Sturm auf dem Jupiter, der schon Besuch von den Sonden Voyager, Galileo, Cassini und Juno bekam. Die schafften es, den Sturm zu fotografieren, der in seiner Größe stark variiert – und nachweislich schon größer als die Erde war.
Nach ein paar kurzen Befehlen per Tastatur begann es im Inneren der Sternwarte zu surren und zu zischen. Und die Sternenkundler unter den SÜDWEST-PRESSE-Lesern blickten nach oben: Das Kuppeldach der Sternwarte rotierte, die Öffnung nahe dem höchsten Punkt der Anlage weitete sich, bis das weißlich schimmernde Licht von dem hineinfiel, was Heinz Lenhart knapp als „eigentliches Thema“ des Abends ankündigte: den Mond.
Optimale Mondstellung am Abend der Führung
Auch er stand am Donnerstag optimal, wenn man der Einschätzung des Reutlinger Planetenkundlers Glauben schenkt: „Besser geht’s nicht“ befand er und diese Meinung teilten auch diejenigen, die an diesem Abend das Glück hatten, den einzigen Erdtrabanten durchs Teleskop zu begutachten. Der zeigte sich in seiner schönsten, detailverliebten Form: Krater, Schattenwurf, Gebirge – alles da. Und Lenhart unterlegte die Erkundung wieder meteoritenhaft mit Fakten: Damit, dass der Mond nur sieben Prozent des Sonnenlichts reflektiere und eigentlich sehr dunkel sei.
Warum der „Supermond“ eigentlich gar keiner ist
Oder dass der effekthascherische Begriff des „Supermondes“ lieber niemals in den Mund genommen werden sollte: Eben weil, so erklärte es der Sternwartenchef einer Leserin, der Vollmond manchmal näher an der Erde zu sehen ist als normalerweise. Denn die Bahn des Mondes um die Erde ist eine Ellipse. Ab und an ist er ein bisschen heller und größer – aber das, so Lenhart, sehen nur extrem geübte Beobachter.
Wer bei den Planeten noch genauer hinschauen wollte, konnte im Mittelteil der Führung den „Omniglobe“ kennenlernen: Auf das Planetenmodell mit 80 Zentimetern Durchmesser ließ Sternwarte-Ehrenämtler Bernd Augustin etwa die Erde mit Echtzeit-Wolkendaten projizieren oder den Jupiter rotieren.
Zurück in die Antike ging es mit Gunther Drexel im Planetarium. Er ließ den virtuellen Sternenhimmel an der Zimmerdecke erstrahlen und zauberte die Sternbilder samt der hellsten Sterne in die Dunkelheit – nur um sie später am echten Reutlinger Nachthimmel mit dem Scheinwerfer anzustrahlen.
Die dreiteilige Führung zeigte: Reutlingens Sternwarte bietet einen lohnenswerten Eindruck des Kosmos, den viele im ersten Moment nicht erwarten. Die Leserinnen und Leser begeisterte diese erste Mehrwehrt-Tour 2023, auf die noch einige folgen sollen.
Cornelia Fritschen, eine Leserin der Südwest Presse Zollernalbkreis war mit ihrem Mann aus Balingen angereist und fand: „Alle drei Referenten haben die Themen so temperamentvoll rübergebracht – und sich dabei wunderbar ergänzt.“