Mit einem besonderen Programm hat das Reutlinger Programmkino Kamino den 200. Geburtstag des Fahrrads auf dem Wendler Areal gefeiert. Highlight der Veranstaltung am Samstag war die Vorführung des Jacques-Tati-Film „Jour de Fête“, bei dem Radfahrer für den Strom sorgen mussten.
Bereits um 15 Uhr hatte es das Kindertheaterstück „Henriette Wanderschuh“ mit Ida Ott gegeben, an dem auch Erwachsene ihren Spaß hatten. Danach sorgte die Band „the futage“ mit Frank Acker, Uli Göhring und Til Eder für Stimmung mit Hits der Pop- und Rockgeschichte.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) informierte mit einem Stand über neueste Trends und hatte auch Kartenmaterial dabei. „Es wird viel danach gefragt, wo man in Baden-Württemberg oder Deutschland mit dem Rad Urlaub machen kann“, sagte Stefan Wiese. In Reutlingen könnte die Kommunikation zwischen Stadt und Radfahrern besser sein. „Ich erlebe es so, dass den Radfahrern nur so viel Platz eingeräumt wird, dass es den Autofahrern nicht weh tut“, sagte er. Man müsse als Radler seinen Weg suchen. „Wir wünschen uns eine Vernetzung und Ausschilderung von Radwegen im gesamten Stadtgebiet.“ Die Fahrradwerkstatt der Bruderhaus-Diakonie hatte Spezialräder mitgebracht, die jeder ausprobieren konnte. „Wir bauen unter anderem Lastenräder, bei denen ein Korb über dem Vorderrad 180 Kilo tragen kann“, berichtete Gerd-Uwe Hogenfeld.
Auch Ellen Junger war zu Gast. Unter dem Label „elfengaben“ präsentierte die BWL-Studentin und leidenschaftliche Radfahrerin UpCycling-Produkte  wie Handtaschen oder Schmuck aus alten Fahrradschläuchen. „Manche sind noch skeptisch, aber es ist gut angelaufen“, erzählte sie. Ihre Kunstwerke hatte sie bei „Garden Life“ ausgestellt; und sie war auch schon im Magazin „Alblust“ vertreten.
Nachdem am Nachmittag die Gäste eher schleppend eingetroffen waren, erhielt der Film „Jour de fête“ sehr viel mehr Zuspruch. Andreas Vogt vom „Kamino“ zeigte sich erfreut, dass „et älle em Gietle schaffa miasset“.
Zur Eintrittskarte gab es jeweils ein Getränk, das viele auch dringend benötigten. Denn das Filmvergnügen war mit Arbeit verbunden. Henning Liebeck vom Verein „Solare Zukunft“ aus Freiburg im Breisgau hatte zehn Frauen- und Männerräder aufgebockt und an Dynamos angeschlossen. Der Verein arbeitet rund um das Thema erneuerbare Energien und Energienutzung und ist damit vielfach in Kindergärten und Schulen unterwegs.
Die Räder lieferten den Strom für Film und Sound mit zusammen 550 Watt. Vorausgesetzt, es fanden sich genügend Personen, die bereit waren, trotz der Hitze kräftig zu strampeln. Grüne Balken auf der Leinwand zeigten an, wie es um den Filmfortgang bestellt war. Schneller radeln bedeutete nicht, dass der Film schneller lief: Ein Akku speicherte überschüssige Energie. Doch auch wer nur zugucken wollte, kam in den vollen Filmgenuss, denn alles klappte reibungslos. „Ich mache es aus Spaß und weil ich einfach den Film sehen will“, sagte Oliver Seif, der zu den zähesten gehörte. Manche  hielten es über eine halbe Stunde auf dem Rad aus. Wer abgelöst werden wollte, hob einfach den Arm und fand sofort einen Nachfolger.  So konnten alle in der Originalversion von 1947 erleben, wie negativ sich die Hetze der Rationalisierung auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirkt. „In knapp zwei Stunden haben wir mit zehn Rädern etwa eine Kilowattstunde zu rund 30 Cent erwirtschaftet“, sagte Liebeck abschließend. „Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, mit Energie sparsam umzugehen.“