Einst war der Name durchaus wörtlich zu verstehen: ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead, der Zeitersparnis wegen oft mit Trail Of Dead oder gar TOD abgekürzt, heißt auf Deutsch übersetzt „...Und ihr werdet uns erkennen an der Spur des Todes“. Das ist gewollt ein wenig altmodisch, gezielt pathetisch und durchaus latent drohend gemeint.
Haltung: absolut punk
Eine Spur der Verwüstung hinterließ die Rockband in den ersten Jahren nach ihrer Gründung Mitte der 1990er Jahre zum Schluss ihrer Konzerte durchaus. Zum Sound war auch die Haltung gegenüber Equipment und Publikum absolut punk. Also wild, provozierend, (selbst-)zerstörerisch. Dass die beiden Bandköpfe Jason Reece und Conrad Keely nach der gemeinsamen Schulzeit auf Hawaii in Olympia im US-amerikanischen Nordwesten studierten und mit dem Musikmachen begannen, zeigte wohl eine gewisse Wirkung.
Anfänge im Grunge-Land
Denn werden Trail Of Dead heute auch in der Regel als Texaner bezeichnet, weil die beiden Masterminds das live auch mal sechsköpfig zur Band ausgebaute ursprüngliche Gitarre/Drums-Duo in Austin gründeten – in der musikalisch äußerst fruchtbaren und politisch links ausgerichteten Hauptstadt des ansonsten berüchtigt fundamentalistisch-christlich und streng republikanisch geprägten Steak-Staats, der neben Daniel Johnston nun mal auch die Bush-Dynastie hervorbrachte. Die Wurzeln der Prog-Rock’n’Roller liegen aber im Grunge-Land, dem Nirvana-, Melvins-, und Bikini-Kill-Gebiet des Staates Washington.
Die Lust am Instrumente und Bühnen Kleinhauen hat sich im Lauf der Jahrzehnte verflüchtigt. Zumindest haben Schlagzeuger und Teilzeit-Frontmann Reece und Sänger-Gitarrist Keely im Sommer 2013 die Bühne des Taubertalfestivals weitgehend intakt an nachfolgende Bands wie Editors, Die Ärzte und Biffy Clyro übergeben.
Conrad Keely verschollen
Vor ihrem Auftritt hingegen hatten sie bei den Veranstaltern für feuchte Hände gesorgt, denn Keely, der gebürtige Engländer mit irischen und thailändischen Vorfahren, der von 2011 bis 2016 in Kambodscha gelebt hat, war bis kurz vor knapp verschollen. Er sei den Berg hinauf ins historische Städtchen Rothenburg ob der Tauber gewandert, hieß es damals – löbliches historio-geografisches Interesse, das durchaus als symptomatisch für diesen im fast schon renaissancehaften Sinn Vielfachbegabten zu begreifen ist.
Leider verlor sich dort aber zeitweise seine Spur – und Conrad Keely, möglicherweise von so viel Schönheit oder sonstwas berauscht, offenbar die Orientierung.
Nach langem Warten jetzt mit neuer Platte
Nun, er fand sich wieder, das Konzert war großartig. Und nun kommt die Band als Quartett, nach einem Auftritt vor einem Jahr in einem der wunderbarsten Clubs der Region, der Schorndorfer Manufaktur, wo sie 20 Jahre nach ihrem wegweisenden Album „Madonna“ jenes zusammen mit anderem älteren Studiomaterial live darboten, gewissermaßen in die kleine, ebenso schöne Schwester der Manufaktur, das Reutlinger franz.K.
In neuer Besetzung als Quartett
Die Organisatorinnen Sarah Petrasch und Mai Schäffer sowie franz.K-Chef Andreas Roth freuen sich schon auf die „spektakuläre Liveshow“, mit der sie zum Auftakt des nunmehr fünften „Indi(e)stinction-Festivals in neuer Besetzung mit Keyboards diesmal ganz dem Hang zum Orchestralen frönen dürften.
Nach Intermezzo beim Major wieder „indie“
...And You Will Know Us By The Trail Of Dead und Indi(e)stinction, das passt. Denn „indie“ im Sinne von independent, also auf keinem Major zuhause sind Reece und Keely nach einem kurzen Intermezzo bei der Universal-Tochter Interscope wieder. Und „distinct“ im Sinne von herausragend, besonders, ungewöhnlich sind sie auch.
Das bekräftigt das im Januar nach einer ungewöhnlich langen Pause erschienene Album, das TOD im Gepäck haben: „X: The Godless Void And Other Stories“ ziert nicht nur ein an Vorgänger wie „Worlds Apart“ (2005) und „Tao Of The Dead“ (2011) anknüpfendes Fantasy-Artwork aus der Feder des 47-jährigen Conrad Keely, es bietet zu den programmatisch brachialen Riffs auch Schicht über Schicht aufgetragene Kino-Soundtrack-würdige Song-Strukturen. Das laut Band-Promotion „intellektuelle Ziel, musikanthropologische Forschungen mit den Mitteln moderner Rockmusik zu verbinden“ führen die beiden auf eine weitere Ebene.
Viel mehr als wütende ältere Männer
Ob sie auf der gerade erst begonnenen Tour auch ihr frühes Markenzeichen wieder aufnehmen, während der Konzerte als „Ausdruck für das Zusammenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion“ sämtliche Instrumente zu zertrümmern, lässt der 48-jährige Jason Reece in einem Interview mit dem Musikmagazin „Visions“ offen: „Es passiert schon noch dann und wann.“ Diese Eruptionen seien schließlich nicht geplant oder kontrollierbar. Aber: „Wir waren immer mehr als eine wilde Band mit Zerstörungsgimmick“, sagt er. Und: „Wenn du älter wirst und auf der Bühne deinen ganzen Kram zerkloppst, dann siehst du halt aus wie ein wütender alter Mann.“
Indi(e)stinction – Ein Fest der musikalischen Vielfalt
Was ist das für ein Festival?
Das Reutlinger Indi(e)stinction-Festival bewegt sich im Grenzbereich zwischen Northern-Soul-Poesie, provokantem Krach und intelligentem Folkrock.
Wann geht es los und wie lange dauert’s?
Die 5. Auflage des vom franz.K organisierten Festivals bietet von
16. Februar bis 10. März
sechs Konzerte. 2016 als alternativer Gegenentwurf zum Mainstream-Pop gegründet, versteht es sich als unabhängig, unterstützt kulturelle Vielfalt und spielt gern nach eigenen Regeln. Da schwingt mit, dass das Phänomen „Indierock“ von der Kreativität der Musiker und deren Liveperformance lebt.
Wer kommt? Welche Bands und Musiker?
Mit sechs von großen Majorlabels unabhängigen Bands in fünf Wochen versuchen die Organisatorinnen Sarah Petrasch und Mai Schäffer, unabhängig vom Massengeschmack zu agieren, was inzwischen als eine Art Markenzeichen des Hauses gilt. So treten folgende Bands und Musiker auf:
...And You Will Know Us By The Trail Of Dead
Baretta Love
Sarah Lesch
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Florian Ostertag
Hodja
Infos zu den einzelnen Bands:
Sonntag, 16. Februar – Trail of Dead
Los geht das Festival mit dem pompösen Mix aus Härte, Schwermut und derben Breaks der texanischen And You Will Know Us By The Trail Of Dead.
Samstag, 22. Februar – Baretta Love
Auch Baretta Love, die am 22. Februar spielen, eilt der Ruf voraus, eine exzellente Liveband zu sein, die den Klangraum mit assoziativer Wucht weitet und bei ihren Konzerten schon mal offene Münder hinterlässt. Die Band aus Magdeburg präsentiert sich mit ihrem explosiven Mix aus Punk, Indie und Rock als geschlossene Einheit mit starkem Songwriting und dem richtigen Händchen für große Melodien. Als Vorband spielt die Reutlinger Band Bad Liver dreckigen, aber melodischen Punkrock – und eine Aftershow-Party gibt es am Samstag auch.
Samstag, 29. Februar – Sarah Lesch
Etwas aus der Reihe fällt der Auftritt der in Tübingen aufgewachsenen Liedermacherin Sarah Lesch mit ihrer Vorliebe für Chansons und den Berliner Liedermacher Fanny van Dannen. Am 29. Februar stellt sie mit ihrer Band ihr neues Album „Der Einsamkeit Zum Trotze“ vor. Als Vorgruppe ist das weibliche Trio Coucou am Start, das durch feinsinnige Kompositionen und Arrangements ein Soundgeflecht formt, bei dem Einflüsse aus Jazz und Folk zu einer sehr transparenten Popmusik verwoben werden.
Freitag, 6. März – Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Mitglieder der Hamburger-Schule-Band Superpunk bilden Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, die am 6. März folgt. Sänger, Gitarrist und Tapete-Records-Booker Carsten Friedrichs sowie Bassist Tim Jürgens, der Vize-Chef des Fußballmagazins „11 Freunde“, wissen, wie anspruchsvoller Gitarrenrock zu klingen hat: bunt, euphorisch, gut gelaunt, gewürzt mit mehr oder weniger absurden Geschichten und selten länger als drei bis vier Minuten. Vorgruppe ist die Tübinger Cyco Sanchez Supergroup, ein Trio, dessen Markenzeichen laut und unbarmherzig schnell gespielte Garagensound ist.
Samstag, 7. März – Florian Ostertag
Der auf der Schwäbischen Alb aufgewachsene Gitarrist und Sänger Florian Ostertag folgt am 7. März mit seiner Band. Der Gitarrist von Philipp Poisel zieht mit seinem eigenen Projekt, einem eigenständigen Mix aus Indiefolk und kreativ verspielten Songs, härtere Saiten auf. Dazu passt der Support, die aus Kirchentellinsfurt stammende Hanna Herrlich mit ihren gewitzten Songs über das Leben.
Dienstag, 10. März – Hodja
Ein weiteres Highlight neben dem Auftaktkonzert dürfte der Auftritt der amerikanisch-dänischen Hodja werden. Die Band aus New York, deren Mitglieder heute in Berlin leben, vereint Gospel, Soul, Voodoo und tiefschwarze amerikanische Musik zu einem Mix, der laut franz.K-Geschäftsführer Andreas Roth „extrem soulig“ klingt und an die US-Indie-Helden Algiers erinnert.
Alles in allem:
Indierock-Fans können sich also auf ein Festival mit großer musikalischer Bandbreite freuen, bei dem die Vielfalt und Kreativität der auftretenden Bands wichtiger ist als die Zahl der verkauften Tickets. Jürgen Spieß