Unter der Telefonnummer (01 62) 3 61 32 32 immer montags bis samstags von 9 bis 12 Uhr können sich Senioren melden, die den neu eingerichteten Einkaufsservice in Betzingen nutzen möchten. Ins Leben gerufen haben dieses kostenlose Angebot die evangelisch-methodistische und die evangelische Kirchengemeinde sowie der Verein „Gemeinsam vor Ort – Diakonie Leben“. Die Idee kam nach den Ausführungen von Pfarrer Christoph Zügel (Mauritiuskirche) von einem Gemeindeglied der Methodisten: „Pastor Christoph Klaiber hat mich vor zwei Wochen angerufen, wir haben uns getroffen und dann die Hotline eingerichtet“, so Zügel.

Die Nachfrage zieht an

Seit rund eineinhalb Wochen besteht das Angebot, „es haben sich mehr als 20 freiwillige Einkäufer gemeldet“, betonte der evangelische Pfarrer. Und es werden wohl noch mehr werden. Wahrgenommen haben das Angebot zu Beginn sehr wenige Personen, „aber jetzt zieht es an“, betonte Zügel auf Nachfrage unserer Zeitung. An einem Tag hätten sich sechs Personen gemeldet, um für sich einkaufen zu lassen. „Viele Senioren haben Ängste, dass sie sich anstecken könnten.“ Zumal die Kinder oft sagen, dass die Eltern zuhause bleiben sollen, um sich nicht zu infizieren. Wenn dann aber die Kinder oder Nachbarn nicht einspringen können, dann wird es schwierig. Nicht so mit dem neuen Einkaufsservice: Die Einkäufer melden sich telefonisch bei den Senioren, die listen ihre benötigten Waren auf. Spätestens am nächsten Tag bringen die Freiwilligen das Eingekaufte vorbei, die Senioren bezahlen. Fertig. Kosten fallen nur für die eingekauften Waren an, der Service ist kostenlos.
Schon vor Corona wurde solch ein Service von der Diakoniestation angeboten. Doch die Mitarbeiterinnen sind laut Christoph Zügel momentan am obersten Rand ihrer Kapazitäten. „Dadurch, dass die Krankenhäuser sich leeren, Operationen verschoben werden und Pflegebedürftige wieder nach Hause kommen, spitzt sich die Situation bei den ambulanten Pflegediensten zu“, so der Pfarrer. Glücklicherweise gibt es nun das neue Einkaufsangebot, das bisher schon Seniorenpaten vom Diakonieverein übernommen hatten. Nun kommen neue Freiwillige hinzu – ob das Angebot nach Corona auch auf weitere Bereiche ausgedehnt werden könnte? Vorlesen, spielen, Spaziergänge? „Denkbar ist das natürlich“, so Zügel.
Und wie organisiert eine Kirchengemeinde ihre Tätigkeiten in diesen höchst ungewöhnlichen, beängstigenden Zeiten? Es gibt ja keine Gottesdienste, „auch an Ostern nicht – das fällt mir richtig schwer“, sagt Zügel. Aber es gebe keine Alternative, weil der direkte Kontakt zwischen den Menschen in einer Kirche nicht zu verhindern ist. Die Texte der Predigten aller Gottesdienste werden jedoch auf der Homepage eingestellt. Die Kommunikation mit den Kirchenmitarbeitern erfolgt schriftlich oder per Videokonferenz. Kirchengemeinderatssitzungen entfallen.

Kontakt per Telefon oder Email

„Wir sind ja drei Pfarrer für Reutlingen-West und Betzingen, wir haben uns die Aufgaben aufgeteilt“, sagt Christoph Zügel. Er selbst sei für die Verwaltung zuständig, Dr. Matthias Burger und Martin Burgenmeister kümmern sich derweil um die Öffentlichkeitsarbeit, um die Aufrechterhaltung des Religionsunterrichts in der Schule sowie besondere Angebote für die Gottesdienste. „Da werden zum Teil kleine Filmchen erstellt.“
Und der Kontakt zu den Gemeindegliedern? „Das geht per Telefon oder Email“, so Zügel. Aktiv sei da erneut der Diakonieverein, der die bestehenden Netzwerke nutzt. Anstatt der persönlichen Besuche rufen die Mitglieder nun die Senioren an, sprechen mit ihnen, nehmen ihnen vielleicht ein klein wenig ihrer Isolation und Einsamkeit. „Ich persönlich rufe an Geburtstagen von Gemeindegliedern an und bringe einen Brief vorbei, werfe ihn in den Briefkasten“, berichtet der Pfarrer. „Da werden plötzlich wieder Medien wie Telefon und Briefschreiben interessant.“
Als sehr schwierig bezeichnet Zügel Beerdigungen: „Da dürfen nicht mehr als zehn Personen auf dem Friedhof teilnehmen.“ Manche Familien hätten nicht mehr als zehn Angehörige, bei anderen taucht automatisch die Frage auf: Wer darf teilnehmen, wer nicht. Taufen könnten mit zwei Personen und dem Täufling zwar eigentlich stattfinden, „aber so eine Taufe ist doch auch immer ein Fest“.
Und Trauungen? „Das ist ja mittlerweile immer ein Hoch-Event und die müssen abgesagt werden“, erläutert Christoph Zügel. „Die Allermeisten tragen das aber mit, weil sie sagen, dass es notwendig ist, den direkten Kontakt zu vermeiden.“ Denn sicher wolle niemand solche Verhältnisse wie in Italien oder Spanien mit den völlig überlasteten Kliniken, sagt der evangelische Pfarrer. „Das ist der Horror.“