Der Trassenverlauf des geplanten Fernstraßenausbaus der B 464 wurde mit Flatterband und eingefärbtem Asphalt deutlich sichtbar gemacht. In Abständen von 15 Minuten wurden die bestehenden Fuß- und Fahrradwege im Bereich der Trassenführung symbolisch gesperrt und akustisch in eine Autostraße verwandelt.
Mit dieser Protestaktion am Samstag machte die Bürgerinitiative „Keine Dietwegtrasse“ auf die ihrer Meinung nach falsche Planung und zu hohe Kosten der Dietwegtrasse aufmerksam. Durch diese würden die bestehenden Fuß- und Radwege zwischen Orschel-Hagen, Sondelfingen und Reutlingen (Storlach, Voller Brunnen) zerschnitten.

Naherholungsgebiet bedroht

Der innerstädtische Fuß- und Fahrradverkehr zwischen den Stadtteilen könne künftig folglich nur noch über große Umwege oder mit dem Auto stattfinden. „So müssen in Zukunft wohl die Kinder aus Orschel-Hagen auf dem Weg zur Schule oder zum Sportplatz mit dem Bus fahren oder mit dem Mama/Papa-Taxi“, erklärt die Bürgerinitiative (BI). Die Kinder und Jugendliche, die aus dem Vollen Brunnen oder dem Storlach auf den „Akti“ oder ins Jugendhaus Orschel-Hagen wollen, müssten die Bundesfernstraße überqueren.
Das vielgenutzte Naherholungsgebiet werde durch die Dietwegtrasse zur Bundesfernstraße mit 25 000 Fahrzeugen am Tag. Das Planungsteam des Regierungspräsidiums Tübingen hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine Zusage macht, dass ein in früheren Planungen angedachter Tunnel realisiert wird.

Planungen stammen aus den 70er-Jahren

Die Bürgerinitiative (BI) „Keine Dietwegtrasse“ setzt sich dafür ein, den Bau einer zusätzlichen Straße durch den Reutlinger Nordraum und den wertvollen Lebensraum „Am Dietweg“ zu verhindern. Die ursprünglichen Planungen der Dietwegtrasse stammen aus den 1970er-Jahren. Aus verschiedenen Gründen wurde die Straße bisher nicht realisiert; zuletzt hat sich der Reutlinger Gemeinderat im Mai 2007 dagegen entschieden, den Bau der Trasse voranzutreiben.
Diese Entscheidung wurde im Rahmen des kommunalen Verkehrsentwicklungsplanes 2012 aufrechterhalten. Ausschlaggebend war unter anderem eine vom Gemeinderat beauftragte Verkehrsuntersuchung und das Fazit des darin enthaltenen Gutachtens zur Dietwegtrasse: Wegen der hohen Kosten und der erheblichen Eingriffe und der überwiegend negativen verkehrlichen Wirkungen wird empfohlen, den Bau der Dietwegtrasse nicht weiter zu verfolgen.

Falsche Sachlage?

Viele Bürger Reutlingens seien laut BI dementsprechend überrascht gewesen, als 2016 langsam durchsickerte, dass die Dietwegtrasse, nun mit neuem Namen als „Ortsumfahrung Orschel-Hagen-Süd“ als ein vordringliches Straßenbauprojekt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde und somit der Bau beschlossen worden war. Bis heute habe die Stadt Reutlingen weder über diesen Entscheidungsprozess noch über die konkrete Umsetzung des Trassenbaus die Bevölkerung aktiv informiert.
Entscheidend für den Beginn des Planungsverfahrens ist ein Dossier zum Bundesverkehrswegeplan 2030. In diesem Dossier wurde ein Nutzen-Kosten-Verhältnis für die Dietwegtrasse festgestellt. Zu den völlig falschen Sachlagen gehört laut Bürgerinitiative, dass im Dossier der Bau der Trasse als völlig unerhebliche Belastung für die Bevölkerung eingestuft wurde.

Stadt und Gemeinderat sollen Verantwortung übernehmen

„Fakt ist, dass in direkter Nähe Tausende von Menschen leben, teilweise in sehr dichter Wohnbebauung und in Mehrgeschossbauten“, so die BI. Die Umweltauswirkungen würden in der Berechnung bagatellisiert und gar nicht berücksichtigt. Aus Sicht der Bürgerinitiative besteht die große Gefahr, dass enorme Steuermittel für ein Straßenbauprojekt eingesetzt werden, dem die rechtliche Legitimation fehlt, da das zugrunde gelegte Nutzen-Kosten-Verhältnis offensichtlich mangelhaft berechnet worden ist.
Die laufenden Planungen des Ausbaus der B 464 sollten daher sofort gestoppt werden. Auch die Reutlinger Stadtverwaltung und der Gemeinderat sollte laut BI Verantwortung übernehmen und sich aktiv gegen den Bau der Dietwegtrasse einzusetzen.