Sie schaut kritisch an sich herunter. „Oh je, ich habe ganz vergessen, dass wir ja Bilder machen“, sagt Nadine Berneis verunsichert. „Geht das Outfit so in Ordnung?“ Sie steht auf und betrachtet ihr Spiegelbild im Schaufenster des Cafés. „Noch mal kurz schauen, ob alles sitzt und ich nichts zwischen den Zähnen habe“, sagt sie und lacht. Die 1,81 Meter große Frau mit Zahnlücke ist seit Februar Miss Germany 2019. Von Star-Allüren keine Spur. Schüchtern und unsicher? Ein bisschen. Bodenständig? Auf jeden Fall.
Die 29-Jährige sitzt in ihrem Lieblingscafé in Stuttgart-Mitte und isst eine Buddha-Bowl. Gemüse, Quinoa und eine Handvoll Nüsse darüber – ganz gesund eben, gehört sich ja für eine Schönheitskönigin. Oder? Nein, hätte sie die Wahl zwischen Pizza und Salat, Nadine Berneis würde sich sofort für Pizza entscheiden. Sie liebt es zu essen, sagt sie. „Das Eis hier im Café ist auch super, das müssen wir probieren.“ Auf Kalorien schaut sie anscheinend nicht. In ihrem Körper und in ihrer Rolle fühlt sie sich inzwischen wohl – auch wenn der Trubel um ihre Person noch ein wenig ungewohnt ist.
Ziel: Selbstbewusst werden
„Ich habe mich früher nie wirklich schön gefühlt“, sagt sie und schiebt sich den letzten Löffel Essen in den Mund. Erst mit Beginn ihrer Polizisten-Ausbildung sei sie selbstbewusster geworden. Die Miss-Germany-Wahl war eine weitere Prüfung: „Ich habe einen Bewerbungsaufruf gesehen und dachte, ich springe über meinen Schatten und probiere das mal.“ Zu dem ersten Casting ging sie alleine, zur Wahl der Miss Baden-Württemberg begleitete sie ihr Freund. Sie gewann den Titel.
Auf die Frage, ob ihr bewusst war, dass sie gute Chancen auf den Miss-Germany-Titel hatte, bleibt die 29-Jährige bescheiden: „Ich sehe mich nicht als klassische Schönheit. Meine Mama sagt, Schönheit kommt von innen.“ Bis sie 25 Jahre alt war, war sie mit ihrer Optik nicht zufrieden, vor allem ihre Zahnlücke war für sie ein Problem. „Je älter du wirst, desto mehr verlierst du die Oberflächlichkeit und gewinnst den Blick fürs Wesentliche.“
Dass sie nun im Reinen mit sich ist, hat sie wohl auch beim Miss-Germany-Finale ausgestrahlt. Auch wenn die Tanzeinlage, die die 16 Titel-Anwärterinnen am Anfang der Show hinlegen mussten, nicht ganz ihr Ding war, die Polizisten überzeugte: „Ich bin ein Körperklaus. Die Choreografie und die Schritte zu lernen, war für mich schwer“, sagt sie und lacht. In Interviews begeisterte sie Jury und Zuschauer. Seit 1. März kann sie sich offiziell Miss Germany 2019 nennen. „Am Tag nach dem Finale standen gleich Fotoshootings an und ich war erst einmal drei Stunden damit beschäftigt, alle Nachrichten zu beantworten.“
Miss Germany: Von der Polizistin zur Schönheitskönigin
Von der Polizisten, die sich mit Cyberkriminalität beschäftigt, zur Miss Germany – „ja, das war schon eine Umstellung“, gibt die 29-Jährige zu. Unerkannt durch die Stuttgarter Innenstadt laufen, das gehe nicht mehr. Sie merkt, dass Menschen sie anschauen, sich aber nicht trauen, sie anzusprechen. „Man ist plötzlich eine Person des öffentlichen Lebens und ein Vorbild.“ Nadine Berneis ist oft auf verschiedenen Events unterwegs – und sieht dabei immer wieder Prominente, die sie sonst nur aus dem Fernsehen oder den sozialen Medien kennt. „Ich bin dann ein kleines Fangirl und traue mich nicht, nach einem Foto zu fragen“, erzählt sie. „Da bin ich zu schüchtern dafür.“
Für das Radsportrennen. die Deutschland-Tour, war die 29-Jährige als Botschafterin unterwegs. Ihr Freund hat ihr das Radfahren vor circa zwei Jahren schmackhaft gemacht, seither fährt sie mit dem Drahtesel regelmäßig durch Stuttgart und die Region.
„Nadine ist super!“
Mit ihrer Art hat Nadine Berneis das Team der Miss Germany Cooperation begeistert: „Nadine ist super“, sagt Geschäftsführer Max Klemmer. „Sie ist eine Botschafterin für das Rennradfahren und den Polizistenberuf.“ Apropos Polizei: Wenn ihr Jahr als Miss Germany vorbei ist, geht es für sie wieder zurück aufs Stuttgarter Revier. „Auf der einen Seite freue ich mich auf einen geregelten Alltag und auf die Tatsache, dass ich mich nicht mehr jedes Mal stylen muss, wenn ich aus dem Haus gehe.“ Auf der anderen Seite habe sie die Auszeit vom Job genossen.
Bis Nadine Berneis wieder an ihrem Schreibtisch im Revier sitzt, vergehen noch ein paar Monate. Der Kalender ist für die kommenden Tage voll. Events stehen an und bald auch ein Besuch in ihrer Heimatstadt Dresden. „Deswegen muss ich heute packen“, sagt sie. „Aber das hat Zeit, jetzt essen wir noch ein Eis. Ich nehme zwei Kugeln.“
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Mit der eigenen Geschichte überzeugen
Am 15. Februar 2020 wird eine neue Miss Germany gewählt. Die Macher wollen für die aktuelle Wahl aber eine Abkehr von üblichen Schönheitswettbewerben. „Bei der Bewerbung für die Miss Germany 2020 mussten die Bewerberinnen keine Maße angeben. Es geht auch nicht mehr darum, wer schön ist“, erklärt Max Klemmer, Geschäftsführer der Miss Germany Cooperation. Die neue Titelträgerin soll eine Persönlichkeit haben und eine Message vermitteln wollen.
7500 Frauen haben sich beworben. „Von der Journalistin über die Juristin bis zur Mutter – es ist alles dabei“, sagt Klemmer. „Eine Cellistin hat in ihrem Bewerbungsvideo ihr Instrument gespielt, eine andere hat von ihrem Kampf gegen Brustkrebs berichtet.“ Die Bewerberinnen müssen einen Instagram-Account haben – so sollen sie nämlich die Öffentlichkeit erreichen.
Die Jury hat bereits 16 Frauen pro Bundesland aus den Bewerbungen ausgesucht. Im nächsten Schritt wird für jedes Bundesland eine ausgewählt, die sich dann im Finale im Februar 2020 im Europapark Rust mit den anderen messen wird. sei