Wichtig ist, so die Botschaft des Zukunftsforums der Projektpartner Biosphärengebiet, Kreisbauernverband, Nabu sowie Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, dass der Verbraucher mit im Boot sitzt. Denn der Getreideanbau im Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist eng mit der Wertschöpfungskette verknüpft, mehr Nachhaltigkeit kann also nur erreicht werden, wenn der Verkauf von regionalen Produkten steigt. Davon profitieren dann gleich mehrere Berufsfelder: Landwirte bauen Getreide vor Ort an, geben es an die Mühle direkt nebenan weiter und diese beliefert schließlich den Bäcker in der Nachbarschaft mit Mehl, der daraus gutes Brot herstellt.
Landwirte und Bäcker
Im Biosphärengebiet Schwäbische Alb spiegelt sich dies zum Beispiel bei der Erzeugergemeinschaft „Albkorn“ wider, der 23 Landwirte, zehn Bäcker, die Mühle Lutz in Buttenhausen und die BergBrauerei angeschlossen sind. 2000 bis 2500 Tonnen Weizen und 400 bis 500 Tonnen Braugerste werden pro Jahr angebaut und weiterverarbeitet. Allerdings, so machte der Vorsitzende Frank Geiselhart deutlich, wird weder auf Düngung noch auf Pflanzenschutz verzichtet.
Dafür setzt „Albkorn“ auf Regionalität und Biodiversität, wie Blühstreifen und Herbstbegrünung zeigen. „Wir haben das Ziel, hochwertiges Getreide zu produzieren und wir wollen auf lange Sicht weniger Dünger und weniger Pflanzenschutz einsetzen“. Außerdem würde die Erzeugergemeinschaft sich gerne noch vergrößern, doch dazu müssten mehr Verbraucher ins Boot geholt werden.
Davon sind auch die Römerstein-Mühle sowie die neue Marke „Albgemacht“ abhängig, die von Michaela Frech von der Lichtenstein Mühle vorgestellt wurde. „Wir legen Wert auf biologische Vielfalt und setzen uns das Ziel, dass auf mindestens fünf Prozent der Getreideanbauflächen Biodiversitätsmaßnahmen umgesetzt werden“. Denn Brotgetreide ist, wie Prof. Dr. Maria Müller-Lindenlauf von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen in ihrem Vortrag zeigte, eine „Risikokultur“, die gute Bodeneigenschaften braucht.
Menschliche Einflüsse führen zu massiven Veränderungen der biologischen Vielfalt, wie etwa Artensterben und Gefährdung von Acker-Wildkräutern, außerdem ist der Stickstoffkreislauf mit einem Überschuss von 100 Kilogramm pro Hektar gestört. „Dieser Überschuss geht als Ammoniak in die Luft und als Nitrat ins Gewässer“. Zwar ist die Alb keine Hochrisikoregion, allerdings muss auch hier die Bodenfruchtbarkeit erhalten bleiben und eine Bodenverdichtung vermieden werden. Außerdem brauchen die Berufsfelder Landwirt, Bäcker und Bäckereifachkraft im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit eine höhere Attraktivität. Und ohne Verbraucher können Wertschöpfungsketten nicht verlässlich sein: „Bis jetzt gehen zwei Drittel des Getreides, das auf der Alb angebaut wird, nicht an regionale Mühlen. Und nur 20 Prozent dessen, was in regionalen Mühlen verarbeitet wird, kommt beim regionalen Verbraucher an. Da ist also noch deutlich Luft nach oben“.
Das macht natürlich auch den Bäckern zu schaffen, wie von Anke Kähler vom Verein „Die Freien Bäcker – Zeit für Verantwortung“ zu erfahren war. „Bäcker kämpfen gegen die Übermacht und gegen den unfairen Handel. Der Verbraucher muss sich fragen, was gutes Brot ist und was es kostet“. Gutes Brot sei regional gemacht und trage nicht zum Verlust von Artenvielfalt, Bodengesundheit, zur Belastung von Luft und Grundwasser bei. Brot sei gut, wenn ein Landwirt für sein nachhaltig erzeugtes Getreide eine faire und existenzsichernde Entlohnung erhalte.
75 Prozent des Brotverkaufs wird von den Märkten Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Metro bestritten. Während es in den 1950-er Jahren noch rund 500 000 Bäckereien in Deutschland gab, waren es 2017 noch 7000, die Anzahl der Mühlen ging auf weniger als 200 zurück.
Das Saatgut wird ein Problem
Ein Problem stellt laut Kähler auch das Saatgut dar, das dem Klimawandel nicht mehr gewachsen ist. Außerdem sei die Voraussetzung für ein geändertes Verbraucherbewusstsein eine Bildung für gesunde Ernährung, die schon im Kindergarten beginnen müsse. „Kinder müssen auf den Acker. Sie müssen etwas über den Getreideanbau und über die Verarbeitung erfahren“.
Das vor allem in einer Modellregion wie dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb, das sich laut Landrat Thomas Reumann in den letzten zehn Jahren dank gemeinschaftlicher Anstrengung vorbildlich entwickelt hat. Dies sei aber kein Grund, sich selbstzufrieden zurückzulegen: „Wir müssen uns gesellschaftlichen Fragen stellen und zukunftsfähige Antworten finden“, so Reumann.
Er lobte dieses Zukunftsforum, das sich mit landwirtschaftlichen Themen auseinandersetze. Immerhin werden 45 Prozent der Flächen im Landkreis Reutlingen landwirtschaftlich genutzt, 11 400 Hektar davon zum Anbau von Getreide. Die ökologische Weiterentwicklung mit Regionalität, Saisonalität und kurzen Transportwegen sei ein Gesichtspunkt, man dürfe dabei aber auch die ökonomische Seite nicht vergessen.
„Ohne Wirtschaftlichkeit kann unsere Landwirtschaft keine Leistung erbringen. Wir müssen uns deshalb Gedanken machen, wie wir neue Märkte erschließen, neue Verbraucher gewinnen und einen Bewusstseinswandel voranbringen können“.
Die Region rund um die Stadt Hayingen hat die Chance des Biosphärengebiets genutzt und sowohl den Tourismus als auch die Direktvermarktung ausgebaut.
Laut Bürgermeister Kevin Dorner werde hier „der regionale Gedanke gelebt und die Marke Biosphärengebiet nach außen getragen“, Synergieeffekte seien in allen Bereichen spürbar. Es sei ein nachhaltiges und ganzheitliches Konzept erkennbar, davon profitierten die heimische Wirtschaft, die Landwirtschaft und alle Bürger.