Glasklare Stimmen begeisterten am Samstagabend das Publikum in der Martinskirche. „Faszination Bach“ – das bedeutete ein musikalisches Fest mit dem Reutlinger Knabenchor capella vocalis.
Großartig und bewundernswert, wie sich schon die jüngsten Sänger mit den bedeutungsschweren Inhalten von Bachwerken auseinandersetzten und diese musikalisch interpretierten. Die auch international bekannte Formation, die zu den großen Knabenchören Deutschlands zählt, wurde 1993 von Eckhard Weyand gegründet und steht seit 2012 unter der Leitung von Christian J. Bonath.
Bonath, der als Dozent an der Musikhochschule Mainz lehrt und sich einen sehr guten Ruf als Experte für Alte Musik erarbeitet hat, dirigierte expressiv und gab nach jedem Stück mimisch eine Rückmeldung an seine Sänger, ob er mit deren Leistung zufrieden war.
Das Continuo bildeten mit Stephen Blaich an der Truhenorgel und Isolde Winter, Barockcello, ebenfalls zwei hochrangige Musiker. Sie begleiteten den Chor zuverlässig und energiegeladen und schufen in nächster Nähe zu den Sängern im Chorraum eine musikalische Dichte, die auf das Publikum zuströmte und es gleichsam umhüllte.
Gefühlvoll und voller Dynamik ließ Blaich auch Orgelstücke wie „Schmücke dich, o liebe Seele“ oder die fröhlich-zuversichtliche Choralfantasie „Ein feste Burg ist unser Gott“ an der Orgel von der Empore aus erklingen.
Mit sauberer Intonation und großem Engagement begann die Capella das Programm mit der Motette „Sei Lob und Preis mit Ehren“. „Der Geist hilft unser Schwachheit auf“ wurde doppelchörig musiziert und überzeugte beim Konzert durch eine klare Aussprache und wunderschöne Koloraturen.
Zart und entschlossen zugleich sang Daniel Merkt (Sopran) „Hier lieg´ ich nun, o Vater aller Gnaden“ und „Meine Seele, lass es gehen“ aus „Fünf geistliche Lieder“.
Eine einprägsame Stimme erlebte das Publikum auch mit Countertenor Jan Jerlitschka (Alt), der „Das walt´ mein Gott“ oder „Gott, mein Herz dir Dank zusendet“ ausdrucksstark interpretierte.
Beim Hauptwerk des Abends, die fünfstimmige Motette „Jesu, meine Freude“, kamen die jüngsten Chormitglieder hinzu. Sorgfältig wurden die sechs Strophen mit den dazwischen gesetzten fünf Stellen aus dem Römerbrief jeweils gemäß ihrem Inhalt ausgestaltet und dennoch zu einem zusammenhängenden Ganzen vereint.
Unisono gelang die betonte Textstelle „nichts“ („Es ist nun nichts Verdammliches an denen“) und wurde „geistlich“ („Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich“) mit einer schönen Koloratur hervorgehoben. Bis zum Ende der Motette, „Weicht, ihr Trauergeister“, blieb die Aufführung konzentriert und lebendig.
Sehr gefühlvoll und innig gelangen die achtstimmige Motette „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ und das vierstimmige „Lobet den Herrn, alle Heiden“, mit dem zum Schluss des Programms noch einmal ein jubilierender Lobpreis erklang.
Das Publikum applaudierte minutenlang. Sehr berührend war der Ausmarsch der Capella Vocalis durch den Mittelgang des Kirchenschiffs mit dem mittelalterlichen „Alta trinita beata“. Spontan erhoben sich die Gäste in ihren Bänken und bildeten ein Spalier