Der Edelschneider Hugo Boss ist 2019 bei seinen Geschäften gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Doch mit dem Auftreten des neuartigen Coronavirus droht dem Unternehmen mit Sitz in Metzingen ein Rückschlag für das laufende Jahr.
2019 hatte das Unternehmen seine Prognose zweimal kappen müssen. Dank eines starken Weihnachtsquartals konnte der Bekleidungshersteller seinen Umsatz im vergangenen Jahr steigern. Er verdiente aber weniger Geld.
Gewinn vor Steuern ging zurück
Die Erlöse seien um drei Prozent auf 2,88 Milliarden Euro geklettert, hatte das Unternehmen bereits erklärt. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern ging dagegen zurück. Unter Berücksichtigung einer neuen Bilanzierungsvorschrift zu Leasingverträgen sei der operative Gewinn um ein Prozent auf 344 Millionen Euro gefallen, hieß es. Der im MDax notierte Edelschneider beschäftigte zuletzt knapp 14 700 Mitarbeiter - etwas mehr als jeder fünfte Arbeitsplatz ist in Deutschland angesiedelt.
Die Herbst-Winter-Modenschau 2020 für Damen im norditalienischen Mailand war am 23. Februar noch wie geplant über die Bühne gegangen – inklusive Supermodel Bella Hadid, die über den Laufsteg schritt, und den Schauspielern Orlando Bloom und Cara Delevingne im Publikum.
Bilanzpressekonferenz kurzfristig abgesagt
Die Bilanzpressekonferenz am Donnerstag hat die Metzinger Hugo Boss AG aufgrund des sich weiter ausbreitenden Coronavirus aber doch lieber kurzfristig abgesagt. Stattdessen informierte der Vorstandsvorsitzende Mark Langer per Telefonkonferenz am Vormittag darüber, wie es aktuell um die Geschäfte steht. Und wie sich die Aussichten darstellen.
2019 sei für den Konzern „ein bewegtes Jahr“ gewesen, teilte Langer mit.
Auch wenn der Bekleidungshersteller aus der Metzinger Dieselstraße im vergangenen Jahr seine Prognosen zweimal hatte zurückfahren müssen, hat sich der Umsatz des börsennotierten Unternehmens sowohl im vergangenen Quartal als auch im gesamten Jahr 2019 dem offiziellen Finanzbericht zufolge gesteigert: im 4. Quartal 2019 im Vergleich zu 2018 von insgesamt 783 auf 825 Millionen Euro, was währungsbereinigt einem Plus von vier Prozent entspricht. Und im Gesamtjahr von 2796 auf 2884 Millionen Euro – das entspricht einer Steigerung von zwei Prozent.
Wachstumsfördernde Initiativen
Leichte Rückgänge hatte der Konzern sowohl aufs jüngste Quartal als auch aufs vergangene Jahr bezogen jeweils im amerikanischen Markt mit minus sieben Prozent und im Großhandel mit drei Prozent weniger zu verzeichnen.
Während die traditionell für das Unternehmen wichtige Herren-Modelinie 2019 um rund 100 Millionen Euro Umsatz zunahm – von 2,5 auf 2,6 Milliarden Euro –, ging die Damen-Linie um zwei Prozent, von 279 auf 275 Millionen Euro zurück.
Dank des starken Weihnachtsgeschäfts stiegen auch die Erlöse des Konzerns um drei Prozent auf 2,88 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis beziffert Mark Langer im Geschäftsjahr 2019 auf 333 Millionen Euro. Es liege damit um vier Prozent unter dem Vorjahreswert.
Als Ursachen dafür gibt Langer „eine geringere Rohertragsmarge“ sowie den Anstieg der operativen Aufwendungen an. „Letzterer war vor allem eine Folge zusätzlicher Investitionen in den eigenen Einzelhandel“, erklärt der Boss-Chef.
Überproportionale „Wachstumstreiber“ seien hingegen die 2019 umgesetzten „strategischen Initiativen“ in den Bereichen Online – die Bedeutung des eigenen Online-Stores hugoboss.com wuchs mit einer Steigerung von 35 Prozent auf 151 Millionen Euro deutlich –, Flächenproduktivität, im Bereich der Marke „Hugo“ und in Asien gewesen.
„Wir haben unser Angebot noch stärker personalisiert, das Onlinegeschäft deutlich ausgebaut und die Flächenproduktivität in unseren Stores erhöht“, teilt Langer dazu mit. Kurzfristig sieht sich das Unternehmen in Asien nun jedoch aufgrund des Virus Covid-19 „mit deutlichen Umsatzeinbußen konfrontiert“.
Auswirkungen von Covid-19
Nach einem sehr guten Start ins Jahr 2020 sei das „Geschäft in Asien aktuell von den Auswirkungen des Coronavirus erheblich beeinträchtigt“. Nach einem äußerst erfreulichen Start in das neue Jahr seien seit Ende Januar mehr als die Hälfte der rund 150 Boss-eigenen „Verkaufspunkte auf dem chinesischen Festland, in Hongkong und in Macau“ geschlossen. „Die restlichen Verkaufspunkte operieren größtenteils mit stark eingeschränkten Öffnungszeiten und verzeichnen einen erheblichen Besucherrückgang. Zudem registriert das Unternehmen momentan einen deutlichen Rückgang der Umsätze in weiteren wichtigen Märkten.“
Trotz dieser „anhaltend großen Unsicherheiten“ und „erheblichen“ antizipierten Wachstumseinbußen im ersten und zweiten Quartal 2020 rechnet das Unternehmen den gestrigen Mitteilungen zufolge jedoch damit, „dass sich das Geschäft bis zur Jahresmitte größtenteils normalisieren sollte“. Sprich: Ein gleichbleibender oder um bis zu zwei Prozent steigender Umsatz sollte auch in diesem Jahr drin sein.
Heiko Schäfer neu im Vorstand
Zudem gab das Unternehmen am Donnerstag eine Personalie bekannt: Heiko Schäfer wird Chief Operating Officer bei Hugo Boss. In dieser Funktion werde er künftig die Verantwortung für die Ressorts Globale Produktionsentwicklung und Beschaffung, Eigenfertigung, Operations sowie Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement übernehmen. Der Aufsichtsrat habe den jüngst bei der kriselnden Hamburger Modekette Tom Tailor ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden zum 16. März als Mitglied des nun von drei auf vier Männer angewachsenen Metzinger Vorstands bestellt.
Stationen seiner Karriere waren 2002 Boston Consulting, 2008 Adidas, zuletzt als Senior Vice President, und 2015 Tom Tailor, wo er im Vorstand etwa für Logistik und IT verantwortlich war, im Einkauf Kosten senkte und die Digitalisierung vorantrieb. Michel Perraudin, der Boss-Aufsichtsratsvorsitzende, lobt den 47-Jährigen als „ausgewiesenen Experten“. Er solle vor allem die digitale Transformation der globalen Beschaffungs- und Produktionsprozesse „maßgeblich vorantreiben“. cli/lsw