Es ist alles bereit. Die diesjährige Zuckerrübenernte kann beginnen. Auch wenn die Früchte in dieser Saison sehr erfolgversprechend aussehen, blickt Wolfgang Bitz den kommenden Wochen und Monaten dennoch mit bangem Blick entgegen. „Wie sich die Preise genau entwickeln werden, vermag ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu sagen. Aber sie werden sicherlich gegenüber dem Vorjahr nach unten gehen. Ich hoffe, dass wir Landwirte dennoch mit den Preisen leben können“, betont der Vorsitzende des landwirtschaftlichen Ortsvereins von Bietigheim-Bissingen.
Am 1. Oktober dieses Jahres fällt die landwirtschaftliche Schutzquote für Zucker in der Europäischen Union. Sie garantierte bisher den deutschen Rübenbauern feste Mindestpreise für ganz bestimmte Erntemengen. 85 Prozent des Zuckers in der EU mussten auch aus europäischer Produktion stammen, und europaweit galt eine jährliche Produktionsobergrenze. Künftig bestimmen Angebot und Nachfrage den Zuckerpreis. Die deutschen Zuckerrüben-Anbauer müssen sich mit der Konkurrenz auf dem Weltmarkt messen. „Viele Landwirte haben ihre Anbaufläche um 20 bis 30 Prozent vergrößert, da auch die Verantwortlichen des Südzucker-Werks in Offenau, das die Landwirte aus der Region beliefern, ihre Verarbeitungsmenge steigern wollen. Es gibt sogar einige meiner Kollegen, die jetzt erst mit dem Anbau von Zuckerrüben angefangen haben“, erklärt Wolfgang Bitz.
Andere Landwirte jedoch mit kleineren, unrentableren Anbauflächen hätten sich auf andere Feldfrüchte wie Mais verlagert. „Manche Kollegen befürchten natürlich, dass der Zuckerpreis eine ähnliche Entwicklung nach unten nehmen könnte wie der Milchpreis nach dem Fall der Milchquote. Daher hoffe ich, dass die Zuckerpreise auch in Zukunft für die Landwirte zufriedenstellend sein werden“, macht Bitz deutlich, der früher auf rund neun Hektar Ackerfläche Zuckerrüben anbaute und jetzt auf rund zwölf Hektar. Der Landwirt aus Bietigheim-Bissingen rechnet damit, dass von günstigeren Zuckerpreisen vor allem die verarbeitende Industrie, aber nicht die Endverbraucher profitieren werden.
Mit einer sehr guten Zuckerrübenernte in diesem Jahr kalkuliert auch der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg e.V., Eberhard Zucker. Insgesamt gibt es in unserem Verbandsgebiet 360 Anbauer von Zuckerrüben mit einer Gesamtanbaufläche von 2670 Hektar. „Das Wetter war für die Rüben in diesem Jahr optimal. Sie können Hitze sehr gut vertragen. Zudem gab es immer mal wieder ergiebigen Regen“, berichtet Zucker. Allerdings mussten die Landwirte ein Auge darauf haben, dass sich über die Blätter keine Pilzkrankheiten ausbreiteten. Rübenbauer Bitz bestätigt, dass die Zuckerrübenpflanze mit den Auswirkungen des Klimawandels sehr gut zurechtkomme. Die Rübenernte in diesem Jahr wird sich jedoch aufgrund der vergrößerten Anbaufläche zeitlich verlängern.
Kreisbauern-Vorstand Zucker hofft, dass die Erntephase bis Mitte November dieses Jahres andauern wird. Bis die letzten an den Feldern gelagerten Rüben abgeholt und in der Fabrik in Offenau angekommen sind, wird es wohl sogar Januar kommenden Jahres werden. „Hoffentlich setzt der Frost den Rüben nicht zu sehr zu, denn das ist dem Zuckergehalt nicht förderlich“, so Zucker, der selbst auch Rüben anbaut. Er wünscht sich, dass sich Angebot und Nachfrage bei den Zuckerrüben relativ schnell regulieren und sich die Preise, trotz Fall der Zuckerquote, bei einem akzeptablen, stabilen Wert, einpendeln werden. „Zudem ist es wichtig, dass das Südzucker-Werk in Offenau auf lange Sicht erhalten bleibt, denn alle anderen Werke liegen für die Rübenanbauer in unserem Kreisverband zu weit weg. Der Transport würde sich nicht mehr lohnen“, erklärt Zucker. 80 Prozent der Weltzuckerproduktion mache Rohrzucker aus, die restlichen 20 Prozent stammen aus der Zuckerrübe, bei deren Anbau Europa dominiere, so Zucker.
Info Rund 2300 Landwirte beliefern das Werk der Südzucker AG in Offenau bei Bad Friedrichshall. Dort wurden bisher täglich bis zu 12.500 Tonnen Zuckerrüben verarbeitet und jährlich 150.000 bis 240.000 Tonnen Zucker erzeugt.