Der alte Mann muss ins Bett. Als einige Fans in der Ludwigsburger MHP-Arena von Status Quo nach 90 fulminanten Konzert-Minuten eine Zugabe fordern, neigt Leadgitarrist und Sänger Francis Rossi um 45 Grad den Kopf zur Seite, legt die Innenseite seiner Hände aneinander und hält sie an eine Wange. Eine allseits bekannte Geste, die den Wunsch nach Schlaf symbolisiert – die Zugabe bleibt also aus.
Rossi hat im Mai seinen 70. Geburtstag gefeiert, aber von Altersmüdigkeit ist beim Auftritt am Donnerstagabend nichts zu spüren. Er hat ja auch viel Routine. Mit seiner Kult-Combo rockt er in wechselnden Besetzungen seit Jahrzehnten quasi nonstop durch die Welt. Mit 118 Millionen weltweit verkauften Tonträgern, 33 Studioalben und gut 60 Hitsingles genießt die in den 60er-Jahren in London gegründete Gruppe längst Legendenstatus.

In Turnschuhen auf der Bühne

Nachdem die 2000 Fans bei der Karlsruher Vorband Tarot noch einen sehr gefassten Eindruck machten, reicht der erste Status-Quo-Song, um das Ludwigsburger Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Das Set beginnt mit „Caroline“, einem Hit aus dem Jahr 1973. Rossi, klassisch gekleidet in weiße Turnschuhe und ein hochgeschlossenes Hemd mit Kragen sowie schwarze Jeans, wird es offenbar ebenfalls warm ums Herz, denn er entledigt sich gleich seiner Weste – und heizt den Fans dann auf Anhieb mächtig ein.
Mit „Cut Me Some Slack“ und „Liberty Lane“ haben die Briten auch zwei Stücke aus dem gerade erst erschienenen Album „Backbone“ in petto. Doch wie erwartet sind es die Klassiker, die das Publikum in Ekstase versetzen und zum lauten Mitsingen und -klatschen animieren: „Down Down“ (1974 veröffentlicht), „Rockin’ All Over the World“ (1977), „Whatever You Want“ (1979) oder „In the Army Now“ (1986). Songs, die bis heute zünden, über Generationen hinweg. Wie gehabt sorgen Rossis unverwechselbare Stimme im Zusammenspiel mit den Gitarren für den typischen „Quo-Sound“. Die eingängigen Melodien und die eigentlich recht simplen Boogie Rocks begeistern immer wieder aufs Neue.
Seit der Erkrankung und dem Tod von Co-Sänger, Songwriter und Rhythmusgitarrist Rick Parfitt 2016 hat sich Richie Malone als würdiger Ersatzmann erwiesen. Der Ire ist mit seinen 33 Jahren das Nesthäkchen der aktuellen Besetzung. Obwohl Malone in der Band, deren großer Fan er einst war, durchaus Akzente setzt, ist der Star des Abends Dauerbrenner Rossi – das Gesicht von Status Quo.

Entspannt und gut gelaunt

Der 70-jährige Meister ist selbst blendend drauf und wirkt ausgesprochen entspannt. Bei den ersten drei Liedern posiert er bereitwillig für die Fotografen im Graben, zwischen zwei Songs liefert er sich einen launigen Wortwechsel mit einem wohl schon etwas angetrunkenen Glatzkopf im Publikum, der immer wieder „Backbone“ – den Namen des neuen Albums – brüllt. Und anekdotenreich erzählt Rossi von einem Tour-Erlebnis neulich in Frankreich, als der Bus der Band eine Reifenpanne hatte und die dortige Polizei die Mitglieder dann auf einen Picknickplatz brachte, der hauptsächlich aus einem unwirtlichen Klohäuschen aus Stein bestand. Dort hätten er und seine Mitstreiter beim nächtlichen Warten trotz Decken ordentlich gefroren, ehe der Crewbus endlich aufgetaucht sei und die Band mitgenommen habe.
Trotz solcher Erlebnisse stehen die Chancen gut, dass Status Quo auch noch ein sechstes Jahrzehnt in Angriff nimmt und durch die Welt tourt. Bei einem Mediengespräch kürzlich in Duisburg gab Rossi zwar zu, dass er schon mal morgens wach werde und ans Aufhören denke. „Doch wenn du dann auf der Bühne stehst und siehst, wie das Publikum begeistert ist, sind solche Gedanken schnell verflogen“, sagte die Rock-Ikone.
Schön wäre eine Zugabe gewesen, grummelt ein Besucher nach Konzertschluss am Parkautomaten der Arena-Tiefgarage. Offenbar hat er die „Ich-muss-schlafen“-Geste von Rossi nach dem Powerauftritt nicht registriert. Der alte Mann war eben müde.