Zivile Partnerschaften wie die des Harmonika-Spielrings Ludwigsburg und des Folklorechors Le Diairi in Montbéliard dürfen nach dem Dafürhalten von Professor Dr. Frank Baasner als Keimzelle Europas gesehen werden. Der Leiter des Deutsch-Französischen Institutes Ludwigsburg hielt am Samstagabend im Ludwigsburger Rathaus die Hauptrede beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen dieser beispielhaften Vereinspartnerschaft. Für sie, andere Vereine und Kommunen wird am Mittwoch, 16. Oktober, ein Bürgerfonds der Baden-Württemberg-Stiftung angelegt.
Noch immer zeitgemäß
„Es gab Zeiten, da wurden Vereinspartnerschaften etwas belächelt“, sagte Baasner. „Sie galten als nicht mehr zeitgemäß.“ Für die über 20 Choristen aus Montbéliard und den Ludwigsburger Harmonika-Spielring aber hatte er gute Nachrichten: Laut einer empirischen Studie seines Instituts sind die Vereinspartnerschaften gar nicht so überaltert. Über 60-Jährige sind nur leicht überrepräsentiert und unter 30-Jährige leicht unterrepräsentiert. Der Folklorechor Le Diairi begegnet diesem Trend ganz einfach, indem die Oma Monique Sucher mit der Enkelin Aline im selben Chor singt.
„Die Partnerschaft ist wichtig“, sagte Evelyne Haberstich zu ihrem Chor und führte ihn unter Glockengeläut durch „Mon beau Jua“, den schönen französischen Jura unweit Montbéliards im Département Doubs in der Bourgogne-Franche-Compté, wo auch die Vogesen nur etwa 25 Kilometer entfernt sind. Schuberts „Launige Forelle“ sprang die Tonleiter rauf und runter. Charmant wie Charles Aznavour schlüpften die Franzosen in die Rolle der „Les Comédiens“ und machten mit dem Lied „L‘ Amitié“ (Die Freundschaft) dem Harmonika-Spielring alle Ehre. Dieser revanchierte sich mit sieben Spielern unter der Leitung von Erwin Schuster mit einer sauber intonierten, fünfsätzigen Suite von Henry Purcel und einer abwechslungsreichen Vivaldi-Sonate.
„Kultur ist keine Ware. Die Völker wollen ihre Güter tauschen, sie wollen aber ihre Seelen behalten.“ Dieses Zitat des ehemaligen französischen Präsidenten Jaques Chirac brachte Ludwigsburgs OB Dr. Matthias Knecht zum Festakt mit. 1987 war Chirac da, als das 25-jährige Jubiläum der Rede Charles de Gaulles an die deutsche Jugend in Ludgigsburg gefeiert wurde. Der Harmonika-Spielring und Le Diairi jedoch, haben sich schon viel früher angefreundet. 1959, als de Gaulle zum Präsidenten gewählt wurde, gingen sie nach den Worten Knechts die erste deutsche Vereinspartnerschaft ein.
Baasler war erst am Freitag bei einer Tagung für Kommunalpartnerschaften in Kassel. „Da wusste jeder, dass Ludwigsburg etwas Besonderes ist und ich war stolz, auf dem Podium sagen zu können, auch bei den Vereinspartnerschaften ist Ludwigsburg nicht schlecht“, so Baasler. Der kommunalen Ebene, befand der Leiter des Deutsch-Fanzösischen Instituts, werde seit der Unterzeichnung des Aachener Vertrages am 22. Januar dieses Jahres und der Bildung der Assemblée parlamentaire aus 50 deutschen und 50 französischen Abgeordneten aus allen Parteien sowieso viel mehr Bedeutung zugemessen.
Vereine noch vor den Städten
Philippe Tissot, der Beigeordnete für Kultur in Montbéliard, erinnerte daran, dass die Städtepartnerschaft mit Ludwigsburg erst 1962 besiegelt wurde. Die Vereine haben sich schon drei Jahre vorher getroffen, miteinander musiziert und gut gegessen. Im Kleinen, schaute Tissot auf die Europapolitik, spiegele sich eben wieder, was im Großen geschieht. Aber die Jugend müsse das Werk fortsetzen, habe die deutsch-französische Freundschaft doch sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene einen starken Vorzeigecharakter. Um den Frieden müssten sich alle unentwegt bemühen, auch mit Musik, die ja bekanntlich keine Grenzen kenne. „Ja, es kostet Anstrengung und Durchhaltevermögen unsere Partnerschaft zu hegen und zu pflegen“, ließ die Vorsitzende des Harmonika-Spielrings, Judith Kehm, hinter die Vereinskulissen blicken. Ihr französisches Pendant, Robert Barbieri, schätzte die kulturellen Entdeckungen auf beiden Seiten.
Viele Sänger und Musiker fungierten bis heute als „Stützen dieses großen Abenteuers“ von Ludwigsburg und Mömpelgard, wie Montbéliard wegen seiner 400-jährigen Zugehörigkeit zum weltlich-historischen Territorium des Hauses Württemberg auch gerne genannt wird. Daher die Mömpelgardstraße am Blühenden Barock.
Das Abenteuer geht übrigens weiter: „Die Ludwigsburger E-Jugendfußballspieler sind nach Montbéliard gefahren“, sagt Baasner.