Die eine Hälfte der Unterführung im Ludwigsburger Bahnhof lässt schon erahnen, wie bald der ganze Rest aussehen soll: sauber. „Meine Arbeit wirkt“, sagt Axel Müller beim Anblick des von ihm beauftragten Putztrupps erfreut. Es klingt banal, ist es aber nicht. Wenn es Axel Müller nicht gäbe, würde am Bahnhof jeder machen, was er will – oder nix.
Die Verhältnisse im und um das Gebäude sind nämlich kompliziert: Für die Gleise, Steige, die Unterführung und die Aufzüge ist die Deutsche Bahn zuständig, für das Reisezentrum samt seiner Geschäfte die Immobiliengesellschaft Dibag; nur wenn sie beim Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) etwas ändern will, ist die Stadt auf niemanden angewiesen. Axel Müllers vornehmste Aufgabe ist es deshalb, Zug in den Bahnhof zu bringen und dafür zu sorgen, dass, „die Schere zwischen gefühlter und realer Wirklichkeit zusammengeht“. Seine offizielle Bezeichnung lautet Bahnhofsmanager.
Zur realen Wirklichkeit gehört für Axel Müller, dass der Bahnhof nicht so schlimm ist, wie sein Ruf. Nur ein Drittel der Nutzer, das hat eine nicht repräsentative Umfrage des Jugendgemeinderats ergeben, finden das zentrale Entree zur Stadt nicht sauber und nicht sicher. Dass diese gefühlte Wirklichkeit von Gelagen nicht sesshafter Bürger rührt, Gepöbel, Müll und Schlägereien, weiß Müller natürlich auch. Und es hilft erst mal wenig, dass die Polizei inzwischen präsenter ist und seit Jahresbeginn deutlich weniger Straftaten registriert als im Vorjahr: 87, statt 145.
Aber vielleicht gelingt Müller mit einem neuen Sicherheitskonzept der große Wurf. Dafür will der 46-Jährige alle Akteure unter einen Hut bringen: Jeder, der auf dem Areal mit Sicherheit zu tun hat, soll für Recht und Ordnung sorgen können. Bis jetzt – man ahnt es – ist das nicht möglich. Zwar beschäftigen Dibag, Bahn und Stadt jeweils Sicherheitspersonal. Doch die Angestellten haben nicht nur unterschiedliche Arbeitszeiten, ihre Zuständigkeitsbereiche enden auch jeweils an jenen der Kollegen. Mit einer einheitlichen Hausordnung will der Bahnhofsmanager den Bahnhof auch rechtlich zu einem Ort machen. Das Vorbild für dieses Modell ist das Reinigungskonzept: Diese Leistung wurde schon vor sechs Jahren zentralisiert. Allerdings gibt es, wie sich herausgestellt hat, Verbesserungspotenzial. Da die Bahn ihrem Putzdienst nicht wie vereinbart nachgekommen ist, übernimmt ihn nun die Stadt.
Es kann ziemlich ernüchternd wirken, dass der Ludwigsburger Bahnhofsmanager viel Zeit auf solche vermeintliche Selbstverständlichkeiten verwenden muss. Immerhin ist es bereits sieben Jahre her, dass der damalige Oberbürgermeister Werner Spec das Projekt Wohlfühlbahnhof ausrief – und den ersten Bahnhofsmanager einstellte: Arne Wintermeier verwendete auch schon viel Zeit auf vermeintliche Selbstverständlichkeiten, durchaus mit Erfolg. Nach seinem Abschied im Jahr 2015 dümpelte das Thema jedoch vor sich hin – mit dem bekannten Ergebnis. Das führte dazu, dass der inzwischen neue OB Matthias Knecht im Wahlkampf gut gegen den Amtsinhaber Spec sticheln konnte.

Gibt es mehr Videokameras?

Die Chancen, dass die Arbeit des Bahnhofsmanagers nicht erneut versandet, stehen nun allerdings gut wie nie: Das Bahnhofsareal wird vom kommenden Jahr an massiv umgestaltet, sodass die städtische Problemzone tatsächlich nachhaltig aufgewertet werden könnte. Dazu gehört der Umbau des Busbahnhofs, der Platz für die Stadtbahn bieten muss, und der Abriss der Ladenzeile neben dem Hauptgebäude. Was genau die Eigentümerin Dibag damit vor hat, verrät sie noch nicht. Dass sie das Gebäude optimieren will, hat die Immobiliengesellschaft aber bereits angedeutet.
Axel Müller, für den im Fachbereich Sicherheit und Ordnung eine Stabsstelle eingerichtet wurde, berichtet hingegen offen über seine Pläne, von denen er viele hat: Er will im Notfall Zugriff auf Bildmaterial vorhandener Videokameras bekommen, und prüfen, ob zusätzliche nötig sind. Er will Dibag und Netto dafür gewinnen, dass im Gebäude kein Alkohol mehr verkauft wird. Er will eine Gestaltung für die Bahnsteige finden, sodass sie den erwarteten starken Zuwachs an Passagieren verkraften. Die Bahn will bis zum Jahr 2030 die Zahl ihrer Fahrgäste verdoppeln, und 2028 wird Ludwigsburg zum IC-Halt. Außerdem steht der barrierefreie S-Bahn-Einstieg auf Müllers Agenda. Ebenso die Vereinigung aller Reiseanbieter in einer Schalterhalle. Und aktuell ist er mit der Polizei wegen eines Kurses für Zivilcourage im Gespräch. Wenn man weiß, wie man Leute – zum Beispiel – richtig auffordert, ihren Müll nicht einfach fallen zu lassen, so Müller, sei auch schon viel gewonnen.

Gute Voraussetzungen

Bevor sich Axel Müller um den Bahnhof kümmerte, hat er sich als Citymanager um die Ludwigsburger Innenstadthändler gekümmert. Wie man viele verschiedene Beteiligte unter einen Hut bekommt, weiß er also. Und sein vorerst auf ein Jahr befristeter Vertrag bietet die Option zur Verlängerung. Das scheinen keine schlechten Voraussetzungen für den Job zu sein, der viel zu lange nicht gemacht wurde.