Henning Schmidt steht bis zum Rand seiner Stiefel im Schlamm der weitgehend trocken gelegten Weihung südlich der früheren Steinberger Mühle. Immer wieder greift er in ein tieferes Becken. Mal holt er eine Regenbogenforelle heraus, dann einen Spiegelkarpfen und sogar die seltenen Flusskrebse gehen ihm in die Fänge. Anschließend setzt er sie im Mühlkanal aus.
Entgegen früherer Aussagen des beauftragten Planungsbüros, dass „da nichts lebt“, findet Schmidt: „Das Wasser im Bach ist total in Ordnung.“ Schmidt und sein Kollege Wolfgang Heber sind in diesen Tagen mit schwerem Baugerät dabei, beim früheren Mühlenwehr eine „Raue Rampe“ herzustellen. Über sie können dann Wassertiere flussaufwärts wandern. Es ist eine von gut einem Dutzend größerer sowie vieler kleiner Maßnahmen, mit denen die Weihung auf der gesamten Staiger Gemarkung naturnaher gestaltet wird.
Tolles Beispiel
Die Arbeiten haben vor kurzem begonnen und sollen bis Ende 2019 abgeschlossen sein. Der Kostenrahmen ist mit 1,17 Millionen Euro angesetzt, das Land hat 835 000 Euro Förderung zugesagt.
„Eine tolle Geschichte“, befand diese Woche Manfred Erhard vom Fachdienst Umwelt- und Arbeitsschutz des Landratsamts Alb-Donau. Er ist auch Betreuer der „Gewässernachbarschaft“ (siehe Infokasten) und informierte in der kreisübergreifenden Fortbildung „Naturschonende Gewässerunterhaltung“ Mitarbeiter von Gemeinden und Staatlichem Gewässerbau über das Vorhaben.
Die Weihung sei ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein Gewässer entwickelt, wenn die natürlichen Anforderungen in den Hintergrund treten, meinte Erhard. Selbst ein relativ kleiner Fluss wie die Weihung grabe sich nach einer rigorosen Begradigung kanalartig ein und erreiche einen „naturfernen Zustand“. Ein solches Gewässer biete anstatt Artenvielfalt nur noch wenigen Tieren einen Lebensraum.
Nina Wittke, die das Projekt für die Kreisbehörde begleitet, imponierte die mit 5,7 Kilometern außergewöhnliche Länge. Das sei der parallel verlaufenden Flurneuordnung im Staiger Teilort Steinberg zu verdanken. So genannte „Initialmaßnahmen“ seien ökologische Durchgängigkeit, Ausleitungen in den Auwald und kontrollierte Uferabbrüche für eine dynamische Entwicklung. Ein besonderes Projekt entsteht beim Gewann Saunfeld/Weinhalde. Dort wird ein Nebenlauf gebildet, den die Weihung selber gestalten kann. Zudem wird für Spaziergänger ein Erlebnisweg sowie ein Kneippbecken geschaffen. Ein anderes Anschauungsobjekt war das kürzlich gebaute Hochwasser-Rückhaltebecken des Wangener Bachs in Illerrieden.
Wie Gewässer, ob schon renaturiert oder nicht, naturschonend gepflegt werden müssen, hatten Erhard und seine Mitstreiterin Hannah Buck zuvor im Bürgersaal erläutert. Ein wichtiger Grundsatz sei abschnittsweises Arbeiten nach dem Prinzip Maßnahmen auf zwei Dritteln umzusetzen und ein Drittel unberührt zu lassen, sagte Erhard. Weiter gilt: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“
Erkenntnisse im Kreis weitergeben
Organisation Die „Gewässernachbarschaft“ Alb-Donau-Kreis ist eine von 43 Gewässernachbarschaften in Baden-Württemberg. War früher der Hochwasserschutz um jeden Preis das Ziel, stehen heute „der Erhalt und die Wiederherstellung vielfältiger Strukturen und damit unterschiedlichster Lebensräume sowie die Entwicklung naturnaher Gewässer im Vordergrund“, wie es im Leitfaden des Verbandes heißt. Um Methoden und Vorgehensweisen im Bereich naturgemäßer Gewässerunterhaltung den Verantwortlichen vor Ort näher zu bringen, finden regelmäßig Fortbildungen statt. Multiplikatoren sind ehrenamtliche und von Behörden gestellte Betreuer. Das Landratsamt stellt hierfür Manfred Erhard und Hannah Buck ab.