Ein mulmiges Gefühl haben wegen des Krieges am Schwarzen Meer, das ist für viele Menschen noch sacht ausgedrückt. Spätestens als in Moskau indirekt mit Atomraketen gedroht worden ist, dürfte daraus Angst geworden sein. Bei Erwachsenen. Aber was ist mit den Kindern und Jugendlichen? Die bekannte Hechinger Kinderärztin Dr. Rita Ziebach gibt Antwort auf Fragen der HZ.

Gibt es Altersgrenzen? Ab wann kann man mit Kinder über Krieg sprechen? Und wie tut man das am besten?

Rita Ziebach In Deutschland geborene Kinder im Vorschulalter sind meines Erachtens meistens noch nicht mit dem Begriff und Inhalt eines Krieges vertraut und haben insofern vermutlich keine spontane Angst davor. Bei Kindern aus geflüchteten Familien aus Krisengebieten sieht das sicher ganz anders aus.

Ab drei Jahren geht’s los

Kinder verstehen ab dem Alter von etwa drei Jahren, dass es den Tod gibt, wenn auch die Vorstellung vom Tod eine andere ist als die der Erwachsenen. Generell sind wohl Krieg, Tod und andere unser Leben und unsere Gesellschaft  bedrohende Szenarien für ganz junge Kinder in dem Maße beängstigend, wie die Erwachsenen, vor allem die engen Bezugspersonen sie ihnen darstellen, also untrennbar von unserer eigenen Besorgnis oder Ängstlichkeit geprägt.

Verdrängen ist nicht die beste Lösung, oder?

Wenn ein kleines Kind die Angst (der Eltern, der Gesellschaft) spürt, wird man als Eltern nicht umhin kommen, eine altersgerechte Erklärung zu versuchen und es nicht allein zu lassen. Schulkinder hingegen suchen und finden ihre Antworten schon unabhängig von den Eltern. Besser wäre es sicher, sie hierbei zu unterstützen. Medien wie Fernsehen können dabei helfen, die für uns in Deutschland abstrakte Situation zu verdeutlichen durch Bilder, dafür können sich die Nachrichten eignen – eine Dauerberieselung allerdings sollte dringend vermieden werden.

Keine Dauerberieselung

Das war auch in der Corona-Zeit aus meiner Sicht unerträglich. Die Ernsthaftigkeit leidet nach meiner Meinung, wenn man ein Thema ständig breittritt, das Leben leidet auch. Gute Gedanken verfolgen hilft. Und eindrückliche, schlimme Bilder und Gespräche besser tagsüber, nicht kurz vor dem Schlafengehen bringen.

Den Kindern diesen Krieg erklären – können wir das überhaupt?

Da in unserem Land Gott sei Dank lange Frieden war, ist der Krieg für die meisten jungen Eltern ja selber schwer zu verstehen, also auch schwer zu erklären. Meine Generation hat in Kindheit und Jugend den Kalten Krieg und den RAF-Terrorismus noch im Gefühlsgedächtnis, vielleicht die Wirtschaftskrise.

Erwachsene ohne Antwort

Damals wurde uns Kindern und Jugendlichen klar, dass die Erwachsenen auf vieles keine Antwort haben, keine Lösung wissen, hilflos und ratlos sind. Das beunruhigt Kinder einerseits, und es kann im Kind andererseits eigene Ressourcen und Bewältigungsstrategien mobilisieren.

Wie merkt man, dass Kinder trotz aller Gespräche Angst haben, und was dann tun?

Ich denke, man muss im Gespräch ehrlich sein, auch hinsichtlich der eigenen Gefühle beziehungsweise Sorgen, aber versuchen, auf die Haben-Seite zu schauen: Zum Beispiel, wo auf der Welt wäre es besser und sicherer als hier? Wenn ein Kind dennoch Angst hat, ist das erstmal verständlich.

Signale ernstnehmen

Oft hat das auch mit Grundängstlichkeit der Eltern zu tun. Die könnten dann erstmal hinschauen, was sie selbst beruhigen könnte. Signale, die Eltern ernstnehmen sollten, sind Schlafstörungen, sozialer Rückzug, Antriebslosigkeit und beziehungsweise Spielunlust, Veränderungen der Essgewohnheiten und mehr.

Zwei Jahre Pandemie, und nun auch noch das! Bleibt das alles  hängen an den Kindern und Jugendlichen?

Die Pandemie war für die bis hierhin in einer weitgehend heilen Welt aufgewachsenen Kinder eine große, langwierige und schwierige Herausforderung, insbesondere Familien mit kleinen Kindern haben viele Opfer gebracht. Vielleicht sind die Kinder so schon ein wenig vorbereitet auf das neue Bedrohungsszenario. Kinder haben gelernt, eine nicht sichtbare, aber allgegenwärtige Bedrohung ernstzunehmen und damit zu leben, und hoffentlich dennoch glücklich zu sein.

Hoffentlich gelernt

Sie haben hoffentlich gelernt, dass wir als Gemeinschaft dem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert sind. Vielleicht haben sie mitbekommen, dass es einem besser geht, wenn man etwas gegen die Bedrohung tun kann.
Das Gefühl hilflos ausgeliefert zu sein, führt in die Depression, während Handlungsmöglichkeiten hilfreich sind, mit der Krise besser umzugehen. Deshalb glaube ich daran, dass Kinder nicht wegen der aktuellen Krisen – Corona, dann der Krieg in Europa – nur negative, sondern auch positive Impulse bekommen und an den Herausforderungen wachsen.
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