Der tödliche Schuss auf Umut K. fiel am 1. Dezember 2016 am Fuße der Hechinger Staig. Während des Mordprozesses glich das Hechinger Landgericht einer Hochsicherheitszone.
Wie sich später herausstellte: Noch während der Umut-Prozess lief, sollen ein naher Verwandter von Umut K., heute 20, sowie ein Bekannter, 23, in den Pausen vor dem Gerichtsgebäude den Rachemord an den damals Angeklagten und deren Angehörige geplant haben. Am 1. August griff die Polizei zu.
Was waren leere Drohungen und pure Wichtigtuerei, was war eine tödliche Gefahr? Und inwieweit sind beide junge Männer schuldfähig? Gerade letzteres wollten die Verteidiger, Thomas Mende und Julia Mende, kurz vor knapp, da waren die Plädoyers schon gehalten, wissen. Sehr zum Ärger von Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Beiter, der von „Prozessverschleppung“ sprach, was wiederum die Verteidigung auf die Palme brachte.
Ein psychiatrischer Gutachter wurde bestellt: Dr. Peter Winkler aus Tübingen. Winkler bescheinigte dem 20-jährigen Angeklagten recht „komplizierte“ Familienverhältnisse, die ersten Kindheitsjahre müssen furchtbar gewesen sein. Winkler sprach von einer „erheblichen Traumatisierung“. Im jungen Leben folgten irgendwann Alkohol und Hasch, Diebstähle, Einbrüche. Aggressives Verhalten fehlte eher. Bis es allerdings zu einem Raubüberfall auf einen Discounter in Hechingen kam, wenn auch ohne echte Waffe. Der junge Mann landete im Gefängnis. Bei der Begutachtung sah sich der Sachverständige zu seiner Überraschung dann aber einem „angenehmen, klugen und differenzierten Gesprächspartner“ gegenüber.
Mit Drogen hat auch der zweite Angeklagte schon in frühen Jugendjahren Bekanntschaft gemacht. Wegen einer älteren Verletzung bekommt er zudem starke Medikamente. Auch bei ihm war die frühe Kindheit von Aggression, der Vater war Alkoholiker, geprägt. Die Geschwister des 23-Jährigen aber haben es durchaus zu geordneten Familienverhältnissen gebracht. Er, so der Angeklagte, sei eben schon immer anders gewesen.
Auch der 23-Jährige saß schon in Haft. War nach eigenen Angaben tief in einen Bandenkrieg verstrickt, dabei mehrmals selbst fast getötet worden. Ein guter Freund von ihm sei erstochen worden. Hätte er, so hat es wohl der Angeklagte dem Sachverständigen erzählt, eingreifen können, hätte er die Gegner mit einer Schusswaffe niedergemacht.
Verabredung zum Mord
Beide Angeklagten hält Peter Winkler für schuldfähig. Was ihn etwas ratlos lasse: Bei dem 20-jährigen Familienangehörigen von Umut K. könne er die „persönliche emotionale Belastung“ ja nachvollziehen, wenn auch natürlich nicht rechtfertigen. „Doch was um Himmels Willen veranlasst den anderen dazu, sich darin zu verstricken?“ Wie erwähnt, der 23-Jährige kannte Umut K. nicht einmal.
Oberstaatsanwalt Beiter sowie die beiden Verteidiger Mende und Mende bezogen sich auf ihre bereits gehaltenen Plädoyers. Beiter forderte für den 20-Jährigen eine Jugendstrafe von acht Jahren, für den 23-Jährigen sieben Jahre und acht Monate. Von wegen bloßes Gerede, da seien zwei Täter gewesen, die fest entschlossen waren, Selbstjustiz zu üben.
Beide Verteidiger forderten für ihre Mandanten Freisprüche. Es habe niemals einen „konkreten Plan“ gegeben, die „Tat sei zu keiner Zeit umsetzbar gewesen“. Es sei „viel geschwätzt, aber nichts gemacht worden“.
Da wiederum war der Vorsitzende Richter ganz anderer Ansicht. Obwohl das rechtsstaatliche Strafverfahren im Fall Umut K. bereits angelaufen gewesen sei, hätten beide Angeklagten beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. „Sie wollten die Angelegenheit nicht dem Staat überlassen, sondern Selbstjustiz und Rache üben.“
Breucker zeigte sich überzeugt: „Beide Angeklagten wären konsequent bis zum Ende gegangen, wenn sie Waffen gehabt hätten.“ Das Geld dafür habe lediglich nicht gereicht. Hier sei über lange Zeit geplant, mögliche Ziele seien ausspioniert worden. „Wir alle, die wir hier sitzen“, so Breucker, „können von Glück sagen, dass sie keine Waffen auftreiben konnten.“
Sein Urteil: Es war Verabredung zum Mord. Die Strafe für beide: fünf Jahre und acht Monate. Der 20-Jährige, bei dem Jugendstrafrecht angewandt wurde, muss noch ein Jahr länger verbüßen, eine Haftstrafe, die er noch nicht abgesessen hat.
Breucker geht davon aus, dass die Verteidiger die Urteile nicht annehmen werden. Sein Appell an die beiden jungen Männer: „Werfen Sie ihr Leben nicht weg. Nutzen Sie die Zeit im Gefängnis.“