Gleich zu Anfang geht es ums Geld. Auf neun Milliarden Euro schätzt Professor Erwin Herzberger die Kosten von Stuttgart 21. Das ist fast das Doppelte der geplanten Kosten bei Baubeginn 2010. Aber: „Projekte dieser Größenordnung sind nicht kalkulierbar.“ Damit ist klar: Mobilität kostet viel Geld. Sie ist aber immens wichtig, denn „Mobilität ist ein unabdingbares Grundnahrungsmittel für hoch entwickelte Zivilisationen“, sagt Herzberger. Der Göppinger Architekt hielt auf Einladung des Arbeitskreises Stadtentwicklung und Verkehr der Lokalen Agenda seinen Vortrag „Stadt und Mobilität“.
Das Thema geht viele etwas an, das Foyer im Rathaus ist am Mittwochabend gut gefüllt. Herzberger beschränkt sich nicht auf Mobilität, sondern liefert gut 90 Minuten lang einen Überblick über viele Bereiche der Stadtplanung und Architektur. Und er behält, obwohl er auch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo tätig ist, Göppingen und Umgebung im Blick. Beispiel: Ortsumfahrung. Die Verbindung ins Remstal über den Schurwald ist überlastet, Rechberghausen und Wäschenbeuren bräuchten eine Umgehung. Faurndau und Jebenhausen hätten so viel Durchgangsverkehr, dass sie „eigentlich keine Ortsmitte mehr haben“.
Die Lösung liegt für Herzberger in Tunneln, nur so lässt sich Landschaft sparen. Aber Straßen und Tunnel kosten, das weiß auch Herzberger. Anregungen liefert er trotzdem. Nicht nur für den Schurwald, auch für Neubaugebiete. Von autogerecht angelegten Vorstadtsiedlungen hält er nicht viel, als „Idealtyp“ dieser Siedlungsform präsentiert er ein Luftbild von Ursenwang. Durch ein oder mehrere Straßen, die quer durch die Siedlung führen, wird sie erschlossen. Herzberger plädiert stattdessen für Siedlungen ohne mittendurch laufende Verkehrsachsen. Der Verkehr solle im Kreis außen um die Siedlung herumlaufen und diese durch Stichstraßen erschließen. Großer Vorteil: in der Mitte der Siedlung bleibt Raum für einen Platz. Und diesen Raum hält Herzberger für eine Stadt und für das Zusammenleben der Städter für ganz wichtig. Dort wird geredet, dort kommt man zusammen.
Die Idee ist nicht neu, Herzberger präsentiert Fotos und einen Stadtplan vom italienischen Siena, schon vor 700 Jahren wurde dort einwohnerfreundlich gebaut. Aber: damals gab es noch keine Autos. Um Städte oder neue Siedlungen trotzdem zeitgemäß und mit Stadtraum hinzubekommen, brauche es neue Konzepte für die Mobilität. Und dann dürfe eine zweieinhalb Minuten dauernde Busfahrt auch nicht mehr über zwei Euro kosten. „Öffentlicher Personenverkehr ist viel zu teuer“, sagt Herzberger. Auch für die Innenstadtentwicklung hat er Ideen. Statt viele Altbauten abzureißen, sollten zumindest die Fassaden erhalten bleiben. Durch viele Neubauten kann eine Stadt ihr Gesicht verlieren. Bauwerke ohne Dachüberhänge, mit schmucklosen und kaum oder gar nicht gegliederten Fassaden kritisiert er und zeigt einige Fotos von mehr oder weniger misslungenen Versuchen in der Göppinger Innenstadt, moderne Neubauten in Einklang mit ihrer Umgebung zu bringen.
Ob seine Ideen umgesetzt werden, ist dann nicht mehr nur eine Frage des Geldes. Herzberger wendet sich hier vor allem an die Kommunalpolitiker, die im Publikum sitzen: „Es kommt drauf an, was man will.“