Weil ihre knapp zwei Monate alte Tochter Anfang November unter starker Verstopfung litt, suchte eine Mutter aus Schwäbisch Gmünd mit ihr die Notaufnahme des Stauferklinikums auf. Die Ärzte konnten dem Kind helfen. Doch dann, erzählt die Mutter, „begann mein Albtraum“. Die Tochter ist jetzt in einer Pflegefamilie, getrennt von der Mutter. Dem Antrag der Klinik dazu hat das Amtsgericht stattgegeben. Die Mutter erzählt, dass sie ihr Kind noch etwa eine Stunde pro Woche sehen darf – unter Aufsicht.
„Einen solchen Fall habe ich noch nie erlebt“, sagt Thomas Hesse. Der Gmünder Fachanwalt für Familienrecht vertritt die Interessen der Mutter. Und er kann sich an keinen Fall erinnern, in dem es so wenige Gründe für eine Wegnahme des Kindes gegeben habe. „Völlig ungerechtfertigt“ sei die Entscheidung gewesen, gegen die Hesse nun Beschwerde beim Oberlandesgericht eingereicht hat.
Die Mutter erzählt, dass ihr vorgeworfen worden sei, dass sie dem Neugeborenen eine Decke ins Bett gelegt und so die Gefahr erzeugt habe, dass das Kind erstickt. Auch sei ihr vorgehalten worden, dass sie immer wieder zum Rauchen rausgehe und dabei ihr Kind allein lasse. Aber über Babyphone habe sie auch in diesen Zeiten Kontakt zu ihrer Kleinen. gehalten. „Ich war rund um die Uhr für meine Tochter da.“ Das Gericht sah das anders. Die Familienrichterin habe auch diese Gründe für ihre Entscheidung angegeben, sagt der Anwalt: Die Frau ist alleinerziehend, hat keine Verwandten zur Unterstützung in der Nähe; sie habe einen Konflikt mit dem Kindsvater und psychische Probleme; und sie habe in der Klinik die Anweisungen für den Umgang mit dem Kind nicht beachtet.
Thomas Hesse verweist darauf, dass die Frau es alles andere als leicht gehabt habe. Ihr Freund habe sie zwei Tage vor der Geburt des Kindes verlassen, um zu seiner Frau zurückzukehren. Er habe auch die Möbel aus der gemeinsamen Wohnung mitgenommen. Dennoch, erzählt die Frau, habe sie es geschafft, die Wohnung bis zur Geburt wieder einzurichten. „Sie hat sieben Wochen gut für ihr Kind gesorgt“, ist Hesse überzeugt. Das Kind sei auch völlig gesund gewesen.
Weshalb haben die Experten im Klinikum dann das Kindswohl gefährdet gesehen? Dazu kann Andreas Franzmann, Pressesprecher des Stauferklinikums, nichts sagen weil er über konkrete Fälle Stillschweigen bewahren muss. Generell sei das oberste Ziel, Mutter und Kind nicht zu trennen. Die Entscheidung, doch das Jugendamt auf einen solchen Fall aufmerksam zu machen, treffe nicht eine Person allein. Die werde von einem Team aus Ärzten und Schwestern getroffen.
Susanne Dietterle, Pressesprecherin der Landkreisverwaltung, kann über den Fall sprechen, weil die Mutter das Jugendamt für diesen Bericht von der Schweigepflicht entbunden hat. Die Frau habe sich bereits vorher an das Amt gewandt mit der Bitte um ambulante Hilfe. Die Prüfung des Antrags sei noch im Gange gewesen, als die Mutter mit ihrem Kind in die Klinik kam und von dort das Familiengericht eingeschaltet wurde. Daraufhin sei im Jugendamt die Meinung gereift, dass eine ambulante Hilfe für Mutter und Kind nicht reicht. Die Mutter sprach deshalb bei einer solchen Mutter-Kind-Einrichtung vor. Sie sagte dort, dass sie auf Druck des Jugendamts komme. Und Mütter, die „auf Druck“ kommen, nehme diese Einrichtung nicht auf, sagt Dietterle. So sei fürs Jugendamt nur noch der Weg geblieben, eine „Inobhutnahme“ des Kindes anzustreben.
„Das Kindeswohl steht über den Wünschen der Eltern“, nennt die Pressesprecherin den obersten Grundsatz für solche Fälle. Möglicherweise gibt es aber Hoffnung: Das Jugendamt versuche weiterhin, einen Platz in einer Mutter-Kind-Einrichtung zu finden, in der die Mutter wieder mit ihrer Tochter zusammen wäre. Und Susanne Dietterle kann sagen: Eine zeitnahe Lösung sei in Sicht.