Ein ungewöhnliches Motto weist auf einen ungewöhnlichen Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche hin: „Das Weib schteige in der Gemeinde“, steht auf dem Plakat, wobei das „t“ in roter Farbe aus dem Schriftzug heraussticht. „Das Thema lehnt sich an den Korintherbrief an“, erläuterte Pfarrerin Susanne Richter. „Das Weib schweige in der Gemeinde“ entstammt der Bibel.
Heute erheben die Frauen in der Kirche durchaus das Wort, wenngleich es keine katholischen Pfarrerinnen gibt. Aber die evangelische Kirche hat seit 50 Jahren ordinierte Pfarrerinnen. Dieses Jubiläum wird in der Ehinger Stadtkirche stellvertretend für den ganzen Kirchenbezirk Blaubeuren gefeiert. „Die Frauenordination war zwar einst ein Synodalbeschluss, aber die Synode feiert das offensichtlich nicht“, bemerkt Pfarrerin Richter, die der Interessenvertretung „Konvent Evangelischer Theologinnen“ in Württemberg angehört. Das Netzwerk will die Anliegen der Theologinnen in Kirche und Gesellschaft tragen. Im Bezirk Blaubeuren ist Susanne Richter für den Theologinnenkonvent verantwortlich.
Zwei Pfarrerinnen predigen
Am Festgottesdienst nehmen Pfarrerinnen aus dem ganzen Kirchenbezirk teil. Außer den Ehinger Stadtpfarrerinnen Margot Lenz und Susanne Richter sind noch Eva Knoblauch aus dem Ulmer Kirchenbezirk, Pfarrerin Anneliese Suur aus Blaustein, die Altenheimseelsorgerin Susanne Vetter, Pfarrerin Silvia Schmelzer aus Blaubeuren und Rahel Kießecker, Pfarrerin in Asch, Sonderbuch und Wippingen, beteiligt. Eva Knoblauch und Rahel Kießecker werden predigen.
Der Weg zur Pfarrerin war Anfang des vergangenen Jahrhundert noch schwierig. Zwar studierten Frauen wie Männer Theologie, aber selbst der Oberkirchenrat tat sich mit der Bezeichnung seiner Theologinnen anfangs schwer. 1930 genehmigte man die Anrede „Pfarrgehilfin“, 1937 erlaubte man eine Art Einsegnung und versah sie mit der Anrede „Vikarin“. Trotz identischer Ausbildung war die weibliche Theologin dem Mann bei- beziehungsweise untergeordnet. „Ihr Dienst sollte sich auf die Arbeit mit Frauen und Kindern beschränken“, schreibt Pfarrerin Rahel Kießecker im Gemeindebrief der Kirchengemeinde Ehingen. Gottesdienste, Gemeindeleitung und Seelsorge waren weitgehend den männlichen Kollegen vorbehalten. 1939 gab es etwa 15 Theologinnen in der Württembergischen Landeskirche. Sie hatten ein minimales Gehalt, die Landeskirche zahlte keine Sozialversicherungsbeiträge und sie mussten zölibatär leben. Heute schätzt Susanne Richter das Verhältnis Frauen- Männer 40 zu 60.
Im Krieg herrscht Pfarrermangel
Der Zweite Weltkrieg brachte durch den Einzug der Pfarrer zur Wehrmacht einen großen Pfarrermangel mit sich. Das veranlasste die Kirchenleitung, den Theologinnen das Predigen zu erlauben. Nach dem Krieg wurden die Frauen schnell wieder in ihre Schranken verwiesen, aber viele Pionierinnen erkämpften die gleichwertige Stellung von Pfarrer und Pfarrerin. Vor 50 Jahren, im November 1968, sollte laut einer Neufassung der Theologinnenordnung der Dienst der Theologin und des Theologen als gleichwertig angesehen werden. Die Pfarrerin war geboren. Das Gleichstellungsgesetz der Bundesrepublik von 1958 stellte auf bürgerlichem Boden die Weichen für diese Entwicklung im kirchlichen Bereich. 1969 wurden die ersten Studentinnen ins Evangelische Stift in Tübingen aufgenommen. Heute ist die Bezeichnung „Pfarrerin“ selbstverständlich.
Festgottesdienst in Ehingen
Jubiläum 50 Jahre Frauenordination in Württemberg feiern die Pfarrerinnen in einem Festgottesdienst mit Abendmahl am Sonntag, 22. Juli, um 17 Uhr in der Stadtkirche. Unter dem Motto „Das Weib schteige in der Gemeinde“ sind Frauen, Männer und Kinder eingeladen. Eine Kinderbetreuung wird angeboten. Dafür sowie für die Begegnung nach dem Gottesdienst wurden zwei Clowninnen engagiert. Die Kantorei begleitet den Gottesdienst musikalisch. kir