„Das Gesetz ist gut, die Umsetzung nicht“, sagte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis (SPD) am Dienstag im „Ochsen“ in Ehingen. Gemeint war die Erstattung von Cannabis-Medizin auf Rezept, wozu die Krankenkassen seit fünf Monaten verpflichtet sind. Auch Burkhard Blienert, Berichterstatter für Drogen und Sucht der SPD-Bundestagsfraktion, berichtete von Problemen. „Die Kassen erkundigen sich direkt beim Medizinischen Dienst, wie eine Krankheit zu bewerten ist – das beschleunigt die Sache nicht“, sagte der Abgeordnete. Mattheis ergänzte vor einigen SPD-Freunden und -Funktionären und wenigen Gästen, es sei unverschämt, wie sehr die Preise für die Präparate in die Höhe geschnellt seien.
Die Gesetzesänderung sei überfällig gewesen. Denn vielen „austherapierten“ Menschen helfen die im Hanf enthaltenen Cannabinoide THC und SBD, wieder ein erträglicheres Leben zu führen. „Wenn Sie Opiate nehmen, sind die Leute ganz weg vom Leben“, betonte Mattheis, die auch die Nebenwirkungen der starken, konventionellen Schmerzmittel ansprach.
Die deutsche Cannabis-Politik im Allgemeinen sei noch immer geprägt von Repression und Kriminalisierung des Endverbrauchers, sagte Blienert. Auch wenn je nach Bundesland einige Gramm zum Eigenverbrauch nicht strafrechtlich verfolgt würden, aber wohl zum Entzug des Führerscheins führen können. Etwa 130 000 Tote durch Tabakkonsum und weitere knapp 70 000 aufgrund von Alkohol würden in Deutschland im Jahr verzeichnet, stellte Blienert heraus. In der öffentlichen Wahrnehmung würden aber vor allem Drogentote im Zusammenhang mit illegalen Drogen auftauchen. Das Anliegen der SPD sei es, sich unideologisch mit dem Thema zu befassen, und zwar auf Augenhöhe mit Wohlfahrtsverbänden und Wissenschaftlern, die damit täglich zu tun haben.
Nachweislich steige der Cannabis-Konsum in Ländern, in denen er erlaubt wurde, nicht an, meinte Blienert. „Es ist auch unrealistisch zu meinen, durch Verbieten könne man den Konsum verhindern“, pflichtete die Ortsvereins-Vorsitzende Stephanie Bernickel bei. „Wichtig ist die Entkriminalisierung des Verbrauchers“, sagte Mattheis. Blienert nannte Hochrechnungen: Mit Cannabis würden in Europa etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt. „Die Leute kommen so oder so ran, daher sollte unser Augenmerk den Drogenhändlern, nicht den Konsumenten gelten“, meinte Mattheis. Wie man am vor einiger Zeit aufgeflogenen Drogenhandel in Ehingen sehe, sei dies kein Großstadtthema, sondern überall relevant.
Der Weg in Richtung Legalisierung müsse hierzulande langsam und behutsam geschehen. Modellregionen mit einer kontrollierten Abgabe an registrierte Nutzer seien der dringlichste Schritt, um Erfahrung zu sammeln, sagte Blienert. Diese werde es in Thüringen und Bremen geben. Außerdem sei Drogenprävention wichtig. „Wir geben für die Strafverfolgung neun Mal so viel Geld aus wie für die Drogenprävention.“ Was denn geschehen müsse, um hier eine Modellregion aufzubauen, wollte Klara Dorner wissen. Dazu bräuchte es ein Netzwerk an Interessengruppen, viele Konsumenten und vor allem politischen Willen, sagte Blienert.

Anbau auch in Deutschland

Mit Fragen zur Weiterbildung von Ärzten in Sachen Cannabis-Verschreibung, Anbau in Deutschland und Anwendung bei verschiedenen Krankheiten klang die angeregte Diskussion aus. Mattheis, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sieht vor allem für ausländische Firmen mit Know-How gute Chancen, unter hohen Sicherungsauflagen Cannabis in Deutschland anbauen zu dürfen. So haben Firmen aus Kanada, woher Cannabis bereits importiert wird, ihre Fühler bereits ausgestreckt. In gut zwei Jahren könne geerntet werden, derzeit werde noch ausgeschrieben. Einem Landwirt aus dem nördlichen Alb-Donau-Kreis, der bei ihr Interesse angemeldet habe, hat Mattheis keine Hoffnungen gemacht.

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Milliarden Euro werden nach Angaben von Burkhard Blienert in Deutschland jährlich mit Cannabis umgesetzt. Die SPD will deshalb verstärkt gegen den Handel vorgehen.