Bis zu 17 Millionen Euro statt der kalkulierten 8 Millionen soll die Fußgänger-Unterführung am Sendener Bahnhof kosten. Im Juli kam diese für viele schockierende Zahl heraus – und die Stadtverwaltung startete einen Verhandlungsmarathon mit der Regierung von Schwaben, den Bahn-Töchtern, dem Freistaat, der Eisenbahngesellschaft. Ergebnis: Es gibt nicht mehr Geld. So steht es in der Sitzungsvorlage, die der Stadtrat eigentlich am Dienstagabend hätte diskutieren sollen. Dazu kam es nicht, was Beobachter und Bürger ratlos zurückließ. Ein Erklärungsversuch.
Ablauf Um 19.15 Uhr, als die öffentliche Sitzung des Stadtrates hätte beginnen sollen, blieben die Türen zum Saal geschlossen: nicht-öffentliche Sitzung. Mit deutlicher Verspätung begann die öffentliche Tagung und zwar gleich mit einem Schlagabtausch: Bürgermeister Raphael Bögge setzte den Tagesordnungspunkt Bahnhof ab, Helmut Meisel von den Grünen protestierte: Das dürfe er gar nicht. Darf er wohl doch, stellte sich heraus.
Warum der Punkt draufbleiben sollte, erklärte Claudia Schäfer-Rudolf, CSU: Nur so gäbe es die Möglichkeit, einen Antrag zum Thema zu stellen, nämlich den Antrag auf Akteneinsicht der Korrespondenz Stadt-Bahn. Das Gremium war schließlich auf Vorschlag Bögges einverstanden, nur den Wunsch zu formulieren, dass die Verwaltung die Unterlagen herausgibt. Bögge versprach, dies „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu tun. Er betrachte diesen Vorstoß nicht als Misstrauensvotum, er begrüße ihn: Die Akteneinsicht sei „eine konsequente Fortführung“ der „transparenten Informationspolitik“ der Stadt.
  
Erklärung Bürgermeister Erst nicht-öffentlich, dann nicht öffentlich? Bürgermeister Bögge mühte sich gestern, den Vorgang zu erklären. „Das Thema Bahnhof wurde in der gestrigen Sitzung weder öffentlich, noch nicht-öffentlich behandelt“, hält er fest. „Es ist also nicht an der Öffentlichkeit vorbeigegangen.“ Es sei nur um Formales gegangen: Eigentlich habe der Ältestenrat am Montag vereinbart, dass es am Dienstag zum Bahnhof einen Sachstandsbericht geben soll – und zwar bewusst nicht-öffentlich. Kurzfristig einen nicht-öffentlichen Tagesordnungspunkt zum Thema zu machen, wäre nur möglich gewesen, wenn alle Stadträte anwesend gewesen wären. Es fehlten aber mehrere. Und die hätten dann, so die Theorie, sagen können: Wenn ich gewusst hätte, dass dieser Punkt drauf ist, wäre ich gekommen.
Als das allen klar wurde, und weil Ratsmitglieder signalisiert hätten, dass sie vor einer Entscheidung ein Gespräch mit der Bahn brauchen, habe es die einstimmige Einigung gegeben, das Thema in die Stadtratssitzung am 24. Oktober zu vertagen. „So ist es auch möglich, Anträge zu stellen.“ Er habe den Punkt Bahnhof dann folgerichtig von der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung genommen. Am 24. Oktober soll es nach bisheriger Planung eine nicht-öffentliche Beratung geben. Begründung: Vertragsinhalte. Bögge versichert aber: Wenn sich hinter verschlossenen Türen abzeichnet, dass die Sache entschieden werden kann, werde eine öffentliche Sitzung angeschlossen.
Erklärung Stadträte Die nicht-öffentlich Behandlung des Bahnhof-Themas hatte, bestätigen Ratsmitglieder, der Ältestenrat am Montag beschlossen. Begründung eines Stadtrates: „Wir wollten in Ruhe diskutieren.“ Vor allem sollte kein böses Wort, keine falsches Signal in Richtung Bahn öffentlich werden. Diskutiert wurde am Dienstag dann auch, aber nicht über den Bahnhof: Bürgermeister Bögge habe, so jedenfalls die Sicht der meisten Räte, eine Zusage von Montag einkassiert: Er habe eine Diskussion zugesagt, nicht nur eine Kenntnisgabe, die keine Möglichkeit bietet, Anträge zu stellen.
Das aber hatten CSU und Grüne vor, geplant war ein Antrag auf Akteneinsicht zur Korrespondenz Bahn-Stadt. Hintergrund ist, dass es von der Bahn auch direkt „positive Signale“ an den Stadtrat gibt, nicht nur an die Verwaltung. Daher gelte es, Gespräche und Absprachen nachzuvollziehen.
Es geht um vier Punkte, sagte ein Stadtrat: 1. Was passiert, wenn die Stadt den Bau der Unterführung abbläst? Wie baut die Bahn den Bahnhof dann um? 2. Was würde der Ausstieg für die Entwicklung der Illertalbahn, für den angedachten Halb-Stunden-Takt bedeuten? 3. Wird die Stadt regresspflichtig, wenn sie aus dem Vertrag mit der Bahn aussteigt? 4. Welche Alternativen gibt es?
  
Varianten Insgesamt acht Versionen für eine Querung der Gleise im Bahnhofbereich hat die Stadtverwaltung ausgearbeitet und den Stadträten vorgelegt. Presse und Öffentlichkeit liegt allerdings nur eine recht detailarme Auflistung von Tunnel- und Steg-Ideen vor, vor allem fehlen hier die Kosten. Sagen lässt sich, dass die Stadt auch durchrechnen hat lassen, was eine Unterführung nur bis zum Mittelbahnsteig kosten würde, wie sich die 17-Milionen-Euro-Lösung abspecken oder in zwei Bauabschnitt aufteilen ließe und was ein Steg kostet.
Ausblick Auf die Frage, was denn eine denkbare Variante wäre und ob er entgegen bisheriger Aussagen tatsächlich an ein Entgegenkommen der Bahn glaubt, antwortet Bögge ausweichend. „Wir sind in einem Diskussionsprozess, um die beste Lösung unter Abwägung aller Gesichtspunkte für alle Beteiligten zu finden.“ Da seien „Wasserstandsmeldungen und eine öffentliche Diskussion über Teilaspekte ... wenig zielführend“.

Was nicht-öffentlich geht und was nicht

Szenarien Grundsätzlich sind Sitzungen der Gemeinderäte öffentlich, Ausnahmen: Personalangelegenheiten und Grundstücksgeschäfte. Verträge können ein Grund für Nicht-Öffentlichkeit sein, sagt Stefan Hatzelmann, Kommunalaufsicht. Diesen Joker zieht Bürgermeister Bögge: Er verweist auf die Vast, die Verkehrliche Aufgabenstellung, die Bahn und Stadt geschlossen haben. Und auf die Planungsvereinbarung mit der Bahn. Was nicht geht, aber mancherorts praktiziert wird: Knifflige Debatten und Streit aus der Öffentlichkeit heraushalten.