Geistliche A-cappella-Werke waren am Sonntagabend in der evangelischen Kirche in Gerabronn zu hören. Das Vokalensemble „Cantus imperitus“ spannte unter der Leitung des aus Gerabronn stammenden Nikolai Ott einen farbreichen Klangbogen, der zwischen Renaissance, Barock und Moderne wechselte.
Das wurde schon zu Beginn offenbar, als Gesänge von Carlo Gesualdo auf solche von Pawel Lukaszewski trafen. Am deutlichsten wurde dies in den Vertonungen von „O vos omnes“ (Oh ihr alle) beider Komponisten. Carlo Gesualdo stellt hier den „dolor meus“ (mein Schmerz) in den Mittelpunkt, aber nicht als geschärften Klang, sondern als eher weiches Seufzen, von den 16 Sängern schön unterstrichen.
Umgeben hatte er es mit für die Renaissancezeit ungewöhnlichen harmonischen Fortschreitungen, die das Vokalensemble ebenfalls deutlich hervorzuheben verstand. Lukaszewskis Werk lebte dagegen stilistisch vage stärker von einigen Klangschärfen.
Spannungsvoll, aber stimmlich wunderbar in der Schwebe gehalten war zuvor „Tenebrae factae sunt“ (Finsternis brach ein) desselben Komponisten zu hören, unter anderem mit kraftvoll betonten Wortausdeutungen wie zu „exclamavit Jesus voce magna“ (rief Jesus mit lauter Stimme). Das betraf auch Gesualdos „Tristis est anima mea“ (Betrübt ist meine Seele) bei der Gegenüberstellung von schnellen, kraftvoll gesungenen Figurationen zu „Vos fugam capietis“ (Ihr werdet die Flucht ergreifen) und mit zurückgenommener Stimme intoniertem, fast stillstehendem „et ego vadam immolari pro vobis“ (und ich werde gehen, um für euch geopfert zu werden).
Ähnlich war dies auch zu Heinrich Schütz „Tröstet, tröstet mein Volk“ zu erleben. Auffordernd energisch gingen die Sänger die Motette an und verstanden es wunderbar, Kontraste zu Worten wie „eben“ und „höckerig“ herauszustellen. „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ unterstrich diesen Eindruck.
Zwischen den beiden Schütz-Motetten hatte das Vokalensemble György Orbáns „Daemon irrepit callidus“ (Der Dämon schleicht geschickt) und Johann Sebastian Bachs „Fürchte dich nicht“ gestellt. Orbáns Chorstück wurde in erregtem, fast tänzelndem Tonfall als mitreißender Chorvortrag wiedergegeben.
Bachs Motette brachte eindringliches Betonen zu den Worten „Fürchte dich nicht“ und „weiche nicht“. Geradezu überhöht wirkte das „Ich stärke dich, ich helfe dir auch“ mit einem Fugenfundament zu „denn ich habe dich erlöset“ versehen, das von den Sängern in großer stimmlicher Klarheit ausgebreitet wurde.
Viel Beifall
Ausdrucksstarkes Ineinandergreifen der Stimmen mit immer wiederkehrenden Momenten empfundenen Einhaltens brachte Orlando di Lassos „De profundis clamavi“ (Aus der Tiefe rufe ich). Noch ausdrucksstärker gelangen dem Vokalensemble schließlich zwei Stücke der Moderne: Jaakko Mäntyjärvis „Canticum calamitatis maritimae“ über das Schiffsunglück der Fähre Estonia und Ola Gjeilos „Unicornis captivatur“.
Atmen und flüsterndes Zischen eröffneten Mäntyjärvis Stück, gefolgt von berückend solistischen Abschnitten zu Bassbordunen. Kraftvolles Intonieren stand dem gegenüber. Ähnlich verhielt es sich in Gjeilos Werk zwischen packendem „Alleluia“ für den „leoni vincenti“ (siegreichen Löwen) und dem in sich zusammengesunkenen Moment des schlafenden Löwen (tris diebus dormitavit Leo). Lang anhaltenden Beifall gab es am Ende von den Konzertbesuchern.