Zur Selbstmedikation hat ein depressiver Mann aus einer Gemeinde bei Crailsheim Cannabis angebaut und konsumiert. Dafür wurde er nun von der Staatsanwaltschaft vor dem Crailsheimer Amtsgericht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt. Dabei flog er nur durch einen Zufall auf.
Denn die Polizisten, die im Februar des vergangenen Jahres in der Straße, in der auch der Mann wohnte, geparkt hatten, wollten eigentlich gar nicht zu ihm. Doch plötzlich hätten sie Cannabis-Geruch aus einem geöffneten Fenster wahrgenommen, erzählte einer der Beamten, der als Zeuge aussagte, vor Gericht. Durch das Fenster hätten sie den 48-Jährigen gesehen, wie er sich gerade einen Joint drehte.
Die Polizisten standen schließlich vor der Haustür, fanden aber keine Klingel. Doch der Mann öffnete ihnen, weil er sie „um das Haus herumschleichen“ sah. Nach der Androhung eines Anrufs bei einem Staatsanwalt oder Richter ließ er die Beamten ins Haus und zeigte ihnen alles: zwei Aufzuchtanlagen für Cannabispflanzen mit sechs Pflanzen in Blüte, 13 Stecklinge, Cannabissamen und 13 geerntete Blüten. Insgesamt handelte es sich um 236 Gramm Marihuana mit einem relativ niedrigen THC-Gehalt von etwa vier Prozent.
48-Jähriger nahm Marihuana gegen seine Depression
„Wir haben dann ein gutes Gespräch geführt“, so der Beamte. Der Mann habe einen niedergeschlagenen Eindruck auf ihn und seinen Kollegen gemacht. Am Ende habe er gefragt, ob ihm die Beamten nicht ein Gramm dalassen könnten – damit er den Tag übersteht. Da musste selbst Richterin Uta Herrmann schmunzeln.
Die Geschichte des Angeklagten, den Rechtsanwalt Björn Wirsching vertritt, ist aber eher traurig: Seit etwa 17 Jahren ist er wegen seiner Depression in ärztlicher Behandlung. Wegen der Krankheit kann er seinen erlernten Beruf nicht ausüben. Momentan lebt er von Hartz IV.
Warum er seit Mitte des Jahres 2017 täglich Cannabis konsumiert habe, konnte der Mann erklären: weil er darauf angesprochen habe. Ohne einen Joint am Abend sei er auf und ab gelaufen, nicht zur Ruhe gekommen und habe Albträume gehabt. Seit Oktober erhalte er nun Cannabis auf Rezept von einem Arzt aus Ulm. Er nimmt nun die gleiche Menge Cannabis zu sich wie zuvor, die Kosten übernimmt bislang seine Mutter, bei der er auch wohnt.
Gericht zeigt Verständnis für das schwierige Leben des Mannes
Dass Cannabis tatsächlich gegen die von dem Mann genannten Symptome helfen kann, bestätigte Dr. Matthias Michel, der als Gutachter vor Gericht aussagte. Allerdings würde er dem Mann kein Marihuana verschreiben, denn: Der dauerhafte Gebrauch könne die Depressionen noch verschlimmern. Süchtig sei der Angeklagte aber nicht.
Richterin Herrmann verurteilte den Mann zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird – wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall. Außerdem wird ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt.
Für den Mann spreche, dass er das Marihuana nicht verkauft habe, dass er sich kooperativ verhalten habe und dass keine besonders große Menge THC bei ihm gefunden wurde. Das Gericht könne verstehen, dass ein Leben mit einer Depression und ihren Symptomen schwierig sei.
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