Nicht wenige Menschen hatten Tränen in den Augen, als bei der Gala anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Albert-Schweitzer-Gymnasiums im November des vergangenen Jahres der damals 91 Jahre alte Joachim Scharr aufstand und die Band, die komplett aus ehemaligen Schülern von ihm bestand, dirigierte. Es war der berührendste Moment dieses Abends. Jetzt ist Scharr, der mehr als 30 Jahre lange als Musiklehrer am Gymnasium gewirkt hat, im Alter von 92 Jahren gestorben – und wieder schämen sich viele Menschen in der Stadt ihrer Tränen nicht.
Joachim Scharr war nicht irgendein Lehrer in Crailsheim. Er war der Musiklehrer schlechthin – und er war weit mehr als das. Der vielfältig interessierte und hochgebildete Pädagoge (er hat Musik und Deutsch in Stuttgart und Tübingen studiert) hat das kulturelle Leben in Crailsheim über Jahrzehnte maßgeblich geprägt. Wie umfassend sein Engagement für seine Wahlheimat Crailsheim war, dokumentiert sich auch in der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.
Der sechsfache Vater war ein Pädagoge wie aus dem Bilderbuch: Er glaubte an das Gute in jedem Menschen, er war ein so freundlicher wie geduldiger Lehrer, und er hat seinen Schülern weit mehr beigebracht als Musizieren und Singen. Viele sagen, er hat sie auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet wie kaum ein anderer Lehrer. Was kann über einen Pädagogen Besseres gesagt werden?
Für Scharr stand schon früh fest, dass er Musiklehrer werden wollte. Aber da war auch noch die Druckerei des Großvaters in Vaihingen, deren Leitung er übernehmen sollte. Also ließ sich Scharr sowohl im Druckbereich ausbilden (Schriftsetzer) als auch im Journalismus (Redakteur). Zwei Jahre lang war er dann Juniorchef der Druckerei – und schrieb zudem Artikel für die „Filderzeitung“.
Doch dann ging er nochmals an die Universität und studierte in Tübingen Deutsch auf Lehramt. Das sollte sich später nicht nur als großes Glück für Generationen von Schülern in Crailsheim herausstellen, sondern auch für das „Hohenloher Tagblatt“, für dessen Redaktion er fast 20 Jahre lang als freier Mitarbeiter tätig war. Unvergessen sind seine Besprechungen der Veranstaltungen der Konzertgemeinde. Auch hier erwies er sich als Menschenfreund: Er schrieb nie Verrisse, er suchte immer nach dem Positiven. Und wenn es was zu kritisieren gab, tat er das im angemessenen Ton.
Joachim Scharr war ein Glücksfall für die Stadt. Er gründete und dirigierte sowohl das Volkshochschulorchester als auch den Kammerchor. Er hat den Choraustausch mit Pamiers ins Leben gerufen und so das Fundament für eine bis heute lebendige Städtepartnerschaft gelegt. Der Dank der französischen Freunde dafür war die Ernennung zum Ehrenbürger. Er hat die Tradition der vorweihnachtlichen Konzerte in der Johanneskirche begründet. Scharr war Gründungsmitglied und erster Vorsitzender des Vereins „Arbeitskreis Weiße Rose“, und er hat den Lions Club in Crailsheim mitgegründet. Und, und, und. Er hat nie Nein gesagt, wenn die Bürgerschaft ihn brauchte.
Joachim Scharr ist tot. Viele Menschen in der Stadt werden noch lange um einen ganz außergewöhnlich beeindruckenden Menschen trauern. Und die Erinnerung an viele schöne Momente mit ihm in ihren Herzen bewahren.