Mit einem außergewöhnlichen Bauwerk will die Stadt Crailsheim bei der Bewerbung um eine Landesgartenschau auf sich aufmerksam machen: Eine Netzbrücke am Südeingang der Stadt soll eine Verbindung zwischen der Türkei und der Kernstadt schaffen. Fünf Millionen Euro wird das spektakuläre Bauwerk voraussichtlich kosten, das in ähnlicher Form schon 2015 auf der Expo in Mailand für Furore sorgte. Es war die am meisten besuchte Attraktion auf der Weltausstellung: In sechs Monaten liefen drei Millionen Menschen über die Netzbrücke.
Netzbrücke soll größer werden als Mailänder Prototyp
Die Crailsheimer Variante der Netzbrücke soll jedoch größer ausfallen als der Mailänder Prototyp, der 100 Meter lang und 15 Meter breit war. „Die genauen Maße kann ich noch nicht sagen, die gibt es erst im nächsten Planungsstadium. Aber so viel kann ich schon verraten: Die Brücke wird verzweigt sein, drei Arme und zwischen 5000 und 6000 Quadratmeter Fläche haben“, sagt Thomas Ferwagner, Geschäftsführer des Büros Officium Design Engineering (Gestaltende Ingenieure) in Stuttgart, das die Netzbrücke für die Landesgartenschau entwirft.
Die Landesgartenschau-Brücke soll – auch das ist ein Unterschied zur Mailänder Netzkonstruktion – geschlossene Bereiche haben, die Radfahrer und Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollatoren nutzen können. Daneben wird es dynamische Netzflächen geben, auf denen Fußgänger wie durch eine Landschaft bergauf und bergab wandern und zuweilen gar klettern können. Die durchsichtige Netzkonstruktion ermöglicht Blicke auf Fluss, Uferbereich und Auenlandschaft.
Netzbrücke entspricht europäischer Norm für Kinderspieplätze
„In Mailand haben sich die Menschen bei der Überquerung regelrecht vernetzt. Sie haben sich an den Händen gehalten und gegenseitig über die Brücke geholfen. Das war sicher ein gewisser Kick“, erklärt Ferwagner.
Außen wird die Crailsheimer Netzbrücke mit einem Geländer gesichert. „Sicherheit hat alleroberste Priorität“, sagt Ferwagner. Sämtliche Netzkonstruktionen, die sein Büro entwirft und baut, entsprächen der europäischen Norm für Kinderspielplätze. „Das sind sehr hohe Anforderungen.“
Thomas Ferwagner hat vor 30 Jahren die ersten Netzkonstruktionen entworfen. Zunächst waren es Netz-Möbel. „Es hat mich gereizt, mit wenigen Materialien sehr flexible Liegen zu bauen.“ Es folgten Netze für Tiergehege in Zoos und Netze als Absturzsicherungen. Das erste begehbare Netz fertigte er für den lateinamerikanischen Künstler Thomàs Saraceno an. Das Kunstwerk „in orbit“ ist in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ausgestellt.
Entwickler baut Metallnetze für Zoos, Steinschlag und Feinstaub
Aktuelle Projekte sind Tiergehege für den Berliner Zoo, Netze in den Schweizer Alpen zur Steinschlagverhinderung und Feinstaubfängernetze für ein Forschungsprojekt des Bundesverkehrsministeriums. „Die Bandbreite ist sehr groß“, so Ferwagner.
Das zuletzt abgeschlossene Projekt mit großem internationalem Aufsehen ist eine begehbare Erlebnis-Netzkonstruktion in 25 Metern Höhe in „Jewel“, dem kürzlich eröffneten futuristischen Bauwerk des Flughafens Changi in Singapur.
Die zwischen drei Terminals gelegene Wartehalle verkürzt Durchreisenden mit einer Mischung aus Urwald, Shopping, Gastronomie und Erlebnisstationen den Aufenthalt zwischen zwei Flügen – und macht die südostasiatische Millionenstadt um eine weitere spektakuläre Attraktion reicher.
„An Netzkonstruktionen reizt mich die unendliche Freiheit bei der Gestaltung. Man kann verrückte Dinge damit machen“, sagt Ferwagner. „Es entstehen sehr ansprechende Formen mit weichen, fließenden Elementen. Die in sich gekrümmten Oberflächen entbehren nicht einer gewissen Erotik.“
Jedes Projekt ist einzigartig, hat seine eigenen Ansprüche und Herausforderungen. In Crailsheim wird es neben der Brückengröße die Frage des Hochwasserschutzes sein, die Thomas Ferwagner und sein Team fordern – vorausgesetzt dass Crailsheim die Landesgartenschau bekommt und die Netzbrücke wirklich gebaut wird.
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Konstruktionen für Zoos, an Brücken und Hängen
Die ungewöhnliche Seil- und Netzkonstruktionen, die das Büro Officium aus Stuttgart entwirft, kommen vorwiegend in Zoos zum Einsatz. Mehr als 300 Netze an Tiergehegen wurden bereits realisiert, von der Wilhelma in Stuttgart bis hin zu Zoos in London, Madrid oder Sydney.
Auch Netze zur Personensicherung baut Officium. Dazu gehören die Selbstmordverhinderungsnetze an der Golden Gate Brücke in San Francisco oder am Hubschrauberlandeplatz am Burj al Arab in Dubai. hof